berliner szenen Härter wohnen

Täglich Slime

Es gab eine Zeit, da konnten wir prima prahlen mit den Nachbarn: Mit Konstantin, dem Zimmermann aus Franken, der Feuer spuckt. Mit Anna, der Produktionsassistentin, die bei „Absolute Giganten“ mitgemacht hat. Aber die Menschen wollen nicht mehr so wohnen wie hier, im letzten kaputten Haus am Rande des Prenzlauer Bergs. Unsere Vermieterin, die ursprünglich nur an kinderlose Pärchen vermieten wollte, aber keine Sanierungszuschüsse mehr bekommen wird, ärgert sich sicher sehr.

Am schwierigsten geht es Parterre. Bis vor kurzem wohnte hier links noch Malte, der gern Mate trank und Kreideblümchen ans marode Mauerwerk malte. Rechts erinnern nur noch ein paar alte Blumenkübel an den schwulen Schaufensterdekorateur, der den Hof mit seinen Resten verzierte – einmal mit meterhohen Bambuspalmen, ein andermal mit roten Plastikrosen.

Jetzt wohnen hier Hunde. Ihre Besitzer sehen aus, als würden sie lieber in Friedrichshain wohnen. Die einen, die ihren Hund durchs Fenster springen und an den Baum vor der Tür kacken lassen, hören täglich alle Platten von Slime einmal von vorn bis hinten durch. Meistens sieht man sie einsam auf Obstkisten sitzen und freundlich mit den bunt gefärbten Köpfen wackeln – kleene Punker im Exil. Der andere Hundebesitzer wirkt auch melancholisch, wahrscheinlich, weil es keine Häuser mehr zu besetzen gibt. Wenn das kinderlose Paar aus dem ersten Stock mit seinen Yorkshireterriern vorbeikommt, tut des Punkers großer Mischlingsrüde so, als würde er gern alle auf einmal verschlucken. Dann pisst er aber nur in den Sandhaufen, den sein Herrchen aufgeschüttet hat, um Wände in seine 130 Quadratmeter einzuziehen. Er will dann untervermieten. SUSANNE MESSMER