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Streitfall deutscher Wald

Ist der Wald öffentlich oder privat besser aufgehoben, sind ökologische Standards mit nachhaltiger Nutzung vereinbar? Fast 90 Prozent des öffentlichen brandenburgischen Waldes wurden privatisiert

Knapp die Hälfte des deutschen Waldes gehört Privateigentümern

von TILMAN VON ROHDEN

Mehr oder weniger jeder nutzt den Wald, meist als Erholungsraum. Doch während die Nutzung fremden Eigentums in aller Regel im Bewusstsein kapitalistischer Besitzstrukturen stattfindet, scheint der Wald frei von Eigentumsansprüchen zu sein. Allein seine Existenz suggeriert seine freie Nutzung je nach Gusto und für jedermann. Die Frage, wem der Wald gehört, liegt außerhalb des Horizonts seiner Nutzer. Doch hinter dem Schein steht die Realität festgezurrter Eigentumsverhältnisse: Rund ein Drittel des deutschen Waldes gehört dem Staat, 20 Prozent besitzen die Kommunen und eine knappe Hälfte befindet sich in den Händen von Privateigentümern.

Aus dem gesellschaftlichen Blick ist ebenfalls die Frage geraten, inwieweit die Eigentumsstrukturen den Naturschutz des Waldes tangieren. Zwei Positionen stehen sich gegenüber. Die eine Partei glaubt, dass der Wald nach so hohen ökologischen Standards gepflegt und genutzt werden sollte, dass er sich nur bedingt für eine Konzentration in privater Hand eignet. Die Anhänger dieser Ansicht, darunter die Umweltverbände, sammeln sich hinter dem Forest Stewardship Council-Konzept (FSC), das den Naturschutz ganz oben auf die Agenda setzt. FSC-Verfechter plädieren für eine stringente Schutzstrategie, wobei sie weltweit mit festen Prozentzahlen für Unterschutzstellungen operieren.

Auf der anderen Seite stehen die Anhänger des Pan European Forest Certification-Konzepts (PEFC), das mit Ausnahme einiger weniger Primärwälder die nachhaltige Nutzung aller Wälder vorsieht. Das PEFC-Konzept ist aufgrund seiner niedrigeren ökologischen Standards für eine privatistische Eigentumsstruktur von Wäldern wesentlich geeigneter als das FSC-Konzept.

Die Eigentumsfrage des Waldes ist insbesondere in den fünf neuen Bundesländern virulent. Denn nach dem Zusammenbruch der DDR mussten die Eigentumsverhältnisse neu geordnet werden. Rund ein Drittel der circa eine Million Hektar umfassenden brandenburgischen Wälder ging an die Treuhandgesellschaft, damit diese sie privatisiert. Mittlerweile hat die Bodenverwertungs- und Verwaltungsgesellschaft, Nachfolger der Treuhand, bis auf 11 Prozent des brandenburgischen „Treuhandwaldes“ an Private verkauft. Dagegen ist das unentgeltliche Weiterreichen von öffentlichen Wäldern an Verbände und Stiftungen nicht unumstritten. „Das kommt einer Verschleuderung von Tafelsilber gleich“, kritisiert Wolf-Henning von der Wense, Professor am Fachbereich Forstwirtschaft an der Fachhochschule Eberswalde. Er plädiert für den Verbleib dieser Flächen in öffentlicher Hand oder ihre entgeltliche Privatisierung. Denn private Nutzer hätten immer ein Interesse an einer nachhaltigen Nutzung, um ihr Vermögen zu schützen. Klaus Höppner von der Landesforstanstalt in Eberswalde bestätigt diese positiven Erfahrungen. „Im Privatwald werden ökologische Belange ausreichend berücksichtigt.“ Allerdings sei eine Privatisierung nicht sinnvoll, wenn eine forstwirtschaftliche Nutzung erlaubt sei. „Schon jetzt ist die Bewirtschaftung von Wäldern ein defizitäres Geschäft. Scharfe naturschutzrechtliche Bestimmungen machen privaten Wald zusätzlich unrentabel.“

Auch wenn diese Experten dem Privatbesitz von Wäldern offen gegenüberstehen, so räumen sie dennoch ein, dass insbesondere in privaten Wälder ein Konkurrenzverhältnis zwischen Naturschutz und wirtschaftlicher Nutzung besteht. Dieses Konkurrenzverhältnis wird von Reimar von Alvensleben, Professor am Kieler Institut für Agrarökonomie, jedoch bestritten. Er meint, viele ökonomische und ökologische Ziel würden miteinander harmonieren. Doch mit dieser These stößt er bei Umweltschutzorganisationen auf heftige Ablehnung. Stellvertretend für diese Gruppe meint Hartmut Kretschmar von der brandenburgischen Landesanstalt für Großschutzgebiete, dass es selbst in Naturschutzgebieten oder auf Waldflächen im Besitz der öffentlichen Hand immer wieder Konflikte zwischen Ökonomie und Ökologie gebe. Er propagiert, den Erwerb von Naturschutzflächen durch Stiftungen, die unabhängig von kurzfristigen Zielen der Eigentümer und Trends sowie von Zinsentwicklungen seien.

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