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: Der Fluch der Solidarität

Solidarität ist wieder modern. Das klingt wie eine gute Nachricht. Ist es aber nicht. Denn Solidarität hat immer dort Konjunktur, wo Not ist. Und die Not ist groß – wegen der schlechten Konjunktur. Ein wenig Solidarität kann sehr angebracht sein; z. B. wenn die Schill-Partei in Hamburg Ärzte, Geistliche und Journalisten zukünftig leichter abhören können will.

 Sie kann aber auch sehr unangebracht sein. Zum Beispiel, wenn die Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzenden der Verlage immer lauter nach der Solidarität der Redaktionen gegenüber den dahinter stehenden Unternehmen rufen. Die Grenze zwischen Redaktion und Verlag soll also eine Illusion sein, „die in den Köpfen der Redakteure herumgeistert“. Geahnt hatte man das schon immer. Wer hätte je unglaublich Springer-kritische Artikel in der Welt gelesen? Dass Verleger so was mittlerweile ganz unverblümt in aller Öffentlichkeit kundtun, das schockiert dann schon.

 Genützt hat die Fürsorge der Redaktion für den Verlag freilich nicht so viel. Über Stellenstreichungen bei Springer und Redaktionsfusionen wurde genügend lamentiert.

 Und wenn der Holtzbrinck-Verlag auf die Idee kommen sollte, dass Tagesspiegel und Berliner Zeitung auch mit einer Redaktion bestens bedient sind, erfahren wir das sicherlich in angemessener „Alles halb so schlimm“-Rhetorik in Holtzbrincks Handelsblatt.

 Nun ist die Not aber offenbar so groß, dass Herbert Riehl-Heyse am Dienstag in der Süddeutschen Zeitung „eher ein wenig zaghaft […] so etwas wie eine Grundsolidarität“ vom Journalismus forderte. Gemeint waren all die Artikel über die wirtschaftliche Not der SZ. Es ging ihm wohl vor allem um Fairness. Und darum, dass Qualität immer noch das Wichtigste sei. Dem kann man nicht widersprechen.

 Aber bitte nicht zu viel Solidarität! Wenn zum Beispiel leitende Redakteure der Süddeutschen in Spiegel oder Focus die Schuldigen für die Misere in ihren eigenen Chefetagen ausmachen, erfüllt der Medienjournalismus seine Zweck.

 Wer soll uns denn bei all der Solidarität erzählen, wie das so in den Redaktionen von Süddeutscher und Frankfurter Rundschau erst ausschaut, wenn die beiden Blätter über eine richtige Fusion verhandeln?

 Sicher ist das der Klatsch und Tratsch der Medienbranche – aber eben nicht nur, sondern auch. Bösartig ist das nicht. Und es dient der Transparenz. Es wäre ja nun wahrlich zu viel verlangt, wenn jeder selbst, die eigenen internen Querelen verbreiten müsste.

 Bleibt zu hoffen, dass es bald nicht nur noch interne Querelen gibt, weil alle irgendwie miteinander verbandelt sind. Letztendlich ist sich jeder selbst am nächsten. Das ist die gute Nachricht. HEIKO DILK