Die Kirche, eine feste Wagenburg?

Orientiert sich die Bremische Evangelische Kirche künftig mehr nach innen als nach außen? Der Konflikt um die Schwerpunkte kirchlicher Arbeit entzündet sich derzeit an der Zukunft der Bremer Kirchenzeitung, die einem „Aktivenmagazin“ weichen soll

Ausnahmsweisegeht esdiesmal nichtums Geld

Wird die Bremer Kirchenzeitung eingeschläfert? Soll das kostenlose Blatt, das auch kirchenferne BremerInnen bislang mit Informationen über die Aktivitäten der evangelischen Gemeinden versorgt, bald nicht mehr in Bibliotheken oder im Kapitel acht an der Domsheide ausliegen? Diese Sorge treibt derzeit manchen evangelischen Christen um, der neben sinkenden Mitgliederzahlen nun auch noch die verminderte Außenwirkung seiner Kirche fürchtet. Zu Recht.

Auf dem kommenden Kirchentag Ende November steht die „Information“ über die Zukunft des kirchlichen Monatsblatts im Gewand einer kleinformatigen Tageszeitung auf der Themenliste. Schon grassiert die Befürchtung, dass die mehr nach außen orientierten Kirchenkräfte, die weiterhin eine Kirchenzeitung wollen, unterliegen könnten, während die stärker auf Theologie und Gemeindearbeit ausgerichtete Fraktion den Durchmarsch macht – mit der Idee von einem „Internen- oder Aktivenmagazin“. Eine Tendenz, über die manche PR-bewusste Kirchenleute stöhnen: „Meine Kirche, meine Wagenburg“.

Der langjährige Schriftführer der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK), Ferdinand von Zobeltitz, gehört erklärtermaßen nicht zu dieser Gruppe. Als theologischer Vertreter im Kirchenausschuss – quasi der „Regierung“ des Bremer Kirchentags, der wiederum das aus GemeindevertreterInnen zusammengesetzte „Parlament“ darstellt – ist Zobeltitz ganz für eine Neuorientierung der bisherigen kirchlichen Öffentlichkeitsarbeit – zumal die Kirchenzeitung bremenweit ohnehin nur eine Auflage von 15.000 erreiche. „Wir müssen überlegen, wie wir in diesen Zeiten unseren vielen Ehrenamtlichen in den Gemeinden den Rücken stärken“, sagt auch er im vollen Bewusstsein der Kirchenaustritte, die die Großgemeinde um jährlich ein Prozent schwächen.

Schon erwägt er den Zusammenschluss der kleinen Bremischen Evangelischen Kirche mit den Landeskirchen im Umland. Grundsätzlich sagt er: „Die wirkungsvollste Werbung für Kirche sind überzeugte und aktive Christen.“ Insbesondere diese bräuchten einen verstärkten theologischen und auf die Arbeit orientierten Austausch. Wenn die Kirchenzeitung nur noch vierteljährlich erschiene, entstünde Raum, kostenneutral achtmal pro Jahr ein „Aktivenmagazin“ herauszugeben – endlich ein Forum für theologische oder kirchliche Fragen, die sich für das erweiterte Publikum nicht eigneten, das stattdessen ein „niedrigschwelligeres Angebot“ bekäme.

Ausnahmsweise geht es diesmal nicht ums Geld. Ein natürlicher Prozess brachte die Sache ins Rollen: Kommendes Jahr geht die langjährige Redakteurin der Bremer Kirchenzeitung in den Ruhestand. Bis Monatsende läuft die Bewerbungsfrist für diese frei werdende Stelle, deren exaktes Profil demnächst wohl eine Kirchendebatte auslösen dürfte.

Viele Kirchenleute kennen das alles bislang nur als Gerücht. „Wir werden nächste Woche darüber sprechen“, heißt es im Diakonischen Werk.

Dort wie auch in vielen Gemeinden hält man eine Diskussion über kirchliche Öffentlichkeitsarbeit für sinnvoll und den Zeitpunkt für gut. „Kirche und ihre Themen werden in den Medien oft nicht so aufgenommen, wie wir uns das wünschen“, sagt Klaus Schaumann. Ausgerechnet jetzt auf ein eigenes Medium mit etwas Tiefgang zu verzichten, sei allerdings riskant.

Olaf Droste, vor Jahren kirchlicher Öffentlichkeitsarbeiter Nummer eins, sieht theologische Begründungen als eher zweitrangig: „Für mich ist die Frage, wie verhält sich eine Institution in Bedrängnis – wie sehr schottet sie sich ab?“ Auch Martin Puschke, Pfarrer der Hastedter Auferstehungsgemeinde, warnt: „Wir müssen aus den Kirchen rauskommen, wenn die Leute nicht zu uns reinkommen.“ In diesem Sinne hatte Puschke im Sommer für eine Straßenbahnwerbung der swb AG eine Taufszene nachgestellt. Motto: „Die Zukunft unserer Kinder beginnt mit gemeinsamer Verantwortung. Auch für die Umwelt.“ Es sei doch schön, dass die swb mit der Kirche werbe, findet er bis heute. Doch die Kirchenspitze legte die Werbung nach heftigen internen Debatten auf Eis*.

Eine Aufregung, die nicht einmal der bekanntermaßen konservative Theologe Jens Motschmann nachvollziehen kann: „Hastedt ist doch eine sehr liberale Gemeinde. Warum soll deren Pastor das nicht tun?“ Motschmann selbst wäre übrigens eher für eine interne Aktivenzeitung. Aber noch hat die Diskussion in der evangelischen Kirche offiziell nicht begonnen.

Eva Rhode

*Eine Diskussion über „Werbung mit kirchlichen Symbolen – wo sind die Grenzen?“ findet heute Abend um 19.30 Uhr im Domkapitelsaal an der Domsheide 8 statt.