Erbarmungslose Exekutive

Nach dem 2:0 der Herthaner beim Tabellenletzten genießt Manager Hoeneß das neue Gefühl, in Cottbus zu siegen. Ein weiterer Eintrag ins Gästebuch der Abstiegsbedrohten scheint fraglich

aus Cottbus MARKUS VÖLKER

Alle sind sie drin. Schröder, Stolpe, Zumdick. Das Gästebuch von Energie Cottbus ist gespickt mit Einträgen aus Sport und Politik. Antje Schlodder verwaltet das rot gebundene Buch. Am Samstag hat sie die Sammlung, die sie liebevoll wie ein Poesiealbum hegt, Hertha-Manager Dieter Hoeneß vor die Nase gelegt. In schwungvollen Lettern, die über die ganze A4-Seite sausen, hat Hoeneß seine Stimmung festgehalten: „Endlich können wir Cottbus mit einem strahlenden Gesicht verlassen.“ Beim letzten Besuch krakelte der damalige Hertha-Trainer Jürgen Röber in die Kladde: „Ich hoffe, es war nicht mein letztes Spiel.“ Es war sein letztes Spiel. Hertha hatte wieder einmal in Cottbus verloren – Schnee von gestern, denn diesmal brach der Bann der Niederlagenserie. Die Berliner gewannen 2:0. Den zweiten Teil seines Eintrags widmete Hoeneß der Heimmannschaft. „Ich wünsche Energie und vor allem Ede Geyer alles Gute.“ Das klang wie ein Abschiedsgruß. Tschüs, Energie, ihr habt uns alles abverlangt, aber unsere Wege trennen sich! Vielleicht wollte Hoeneß aber auch nur höflich sein und in Zeiten der Energie-Krise mitleidvoll kondolieren. Die wohlmeinenden Worte hat der Cottbuser Trainer bitter nötig. Letzter Tabellenplatz. Fünf Punkte Abstand zum sicheren Platz 15. „Wir können das Glück eben nicht zwingen“, resigniert Geyer, „viel besser als in den ersten 20 Minuten können wir nicht spielen.“

Da schnürten die Cottbuser Hertha in deren Hälfte ein, spielten flott über die Flügel. Der wieder in die Startelf berufene Miriuta schlug Pässe, Flanken, Ecken wie in seinen besten Tagen und es schien nur eine Frage der Zeit, bis Torwart Gabor Kiraly den Ball aus dem Netz klauben sollte. Doch das Tor wollte nicht fallen. Nicht bei Reghecampfs Schuss ans Außennetz, nicht beim Distanzschuss von Gebhardt, den Hartmann von der Linie köpfte.

Erbarmungslos ist das Fußballspiel, bisweilen ungerecht, und weil die Gesetze dieser Sportart streng exekutiert werden, gingen die Berliner in Führung. „Wir haben eigentlich keine Antwort auf den Ansturm gehabt“, räumte Huub Stevens ein, „die erste Antwort war auch schon das Tor.“ Marcelinho traf per Freistoß (22.). Torsteher Piplica assistierte mit einem hanebüchenen Patzer. Damit war das Schicksal der Gastgeber besiegelt. Stevens Taktik, mit schnellen Stürmern die Abwehr zu attackieren, funktionierte zusehens. 44. Minute: 2:0 durch Alves. „Die Cottbuser hatten keine Chance bei unserer Geschwindigkeit“, erklärte Stevens. Immerhin wendeten sich die Fans im mit 13.612 Zuschauern gefüllten Stadion nicht gegen das eigene Team. Nur die 900 mitgereisten Hertha-Fans riefen „Geyer raus!“

Guter Rat ist derzeit teuer in der Lausitz. Am Limit spielend und dennoch verloren, das kostet doppelt Kraft und Motivation. „Wir kämpfen, tun, reißen uns den Arsch auf, der Trainer schreit und brüllt – mehr können wir nicht machen“, sagte Kapitän Christian Beeck und sah dabei recht desillusioniert aus.

Stevens, dessen Team auf Rang vier vorrückte, konnte angesichts der Cottbuser Ernüchterung auch nur vorgeben, dass es ihm persönlich leid tue für Geyer, aber so sei nun mal das Geschäft. Gut möglich, dass Antje Schlodder kommende Saison weniger prominente Trainer für ihr Gästebuch antrifft.