Argentinien darf noch hoffen

Ein Abkommen zwischen Währungsfonds und dem zahlungsunfähigen Argentinien rückt näher. Zahlreiche Streitpunkte sind allerdings noch offen. Völlig ausgeklammert bleiben vorerst die Umschuldungsverhandlungen mit den privaten Gläubigern

aus Buenos Aires INGO MALCHER

Solch zuversichtliche Signale aus Washington gab es schon seit langem nicht mehr. Ein Abkommen zwischen dem Internationalen Währungsfonds und dem bankrotten Argentinien rücke näher, sagte John Taylor, stellvertretender Finanzminister der USA. „Es gibt kein genaues Datum“, so Taylor, „aber zahlreiche Gründe, die erwarten lassen, dass beide Seiten den Prozess bald abgeschlossen haben werden.“

Das sind ungewohnte Töne aus Washington. Seit die argentinische Regierung Anfang des Jahres den Schuldendienst einstellen musste und die Landeswährung Peso abwertete, herrschte Eiszeit zwischen Buenos Aires und Washington. Der IWF lässt sich Zeit, Argentinien Finanzhilfe zukommen zu lassen. Hinter vorgehaltener Hand geben seine Mitarbeiter sogar zu, dass der argentinischen Regierung auf diese Weise eine Lektion erteilt werden soll.

Doch endlich scheint in die verhärteten Fronten Bewegung zu kommen. Vor einigen Tagen hat Wirtschaftsminister Roberto Lavagna einen dritten überarbeiteten Entwurf für ein neues Abkommen nach Washington geschickt – und stieß damit auf ein positives Echo.

Nun können sich beide Seiten den zahlreichen offenen Streitpunkten mit mehr Ruhe widmen. So fordert der IWF in seinem Entwurf eine Erhöhung der Preise für Strom, Wasser und Gas um 20 bis 30 Prozent. Die in den 90er-Jahren privatisierten Versorgungsbetriebe könnten andernfalls nicht mehr kostendeckend arbeiten. Die Regierung in Buenos Aires will die Tarife aber nur um höchstens 10 Prozent anheben und in sozialen Härtefällen überhaupt nichts antasten.

Der IWF will außerdem die Ausgaben der argentinischen Provinzen extrem zurechtstutzen. Doch bei diesem Thema gehen die Gouverneure auf die Barrikaden, die in ihren Haushalten wenig Spielraum zum Sparen sehen. Ebenfalls auf wenig Begeisterung stößt bei ihnen die IWF-Forderung nach einem Stopp der Ausgabe von Provinzbonds. Die Titel haben sich als zu einer Parallelwährung etabliert, weil die Provinzen ebenso pleite sind wie der Zentralstaat. Um ihre Beamten zu bezahlen, sind sie gezwungen eigenes Provinzgeld zu drucken.

Ein sensibles Thema ist zudem die Rolle der Zentralbank. Der IWF fordert, dass sich die Zentralbank nicht in das Geschehen auf dem Devisenmarkt einmische. Aber genau mit einer gewissen Reglementierung ist die Regierung seit der Abwertung des Peso gut gefahren. Die Zentralbank kontrolliert den Pesotausch durch starke Regulierung des Devisenmarktes und tägliche Interventionen. Ergebnis: Der völlige Absturz der Währung wurde verhindern und die Inflation in Zaum gehalten.

Seit Jahresbeginn hat die argentinische Währung 73 Prozent ihres Werts verloren, was deutlich weniger ist, als zahlreiche Ökonomen vorausgesagt hatten. Und die Inflationsrate mit 39 Prozent im laufenden Jahr ist weit entfernt von der Hyperinflation der vergangenen Jahre.

Hoffnung auf einen baldigen Aufschwung gibt es allerdings nicht. Zinsraten von über 60 Prozent für Firmenkredite verunmöglichen die Wiederbelebung der Industrie. Lediglich transnationale Konzerne, die sich auf den internationalen Kapitalmärkten mit frischem Geld eindecken können, sind in der Lage Investitionen zu tätigen.

Wirtschaftsminister Lavagna geht in seinem Entwurf an den IWF selbst von einer Verringerung des Bruttoinlandprodukts von 11 Prozent in diesem Jahr aus. In den ersten neun Monaten dieses Jahres ist die Industrieaktivität um 14,4 Prozent gefallen. Allein Branchen, die mit der Abwertung der Währung gegenüber Importen an Wettbewerbsfähigkeit zulegen konnten, wie die Textilindustrie, konnten eine Steigerung ihrer Aktivität verzeichnen. Trotzdem sanken selbst die Exporte um 15 Prozent.

Das schwierigste Problem hat Argentinien allerdings noch nicht im Griff: Die Umschuldungsverhandlungen mit den privaten Gläubigern. Bis Ende diesen Jahres werden sich die Schulden des Landes auf über 141 Milliarden Dollar belaufen. Nach der Unterzeichnung eines Abkommens mit dem IWF müsste sich Lavagna mit den Gläubigern an einem Tisch sitzen und über die Wiederaufnhame der Zahlungen verhandeln.