Weitergebildet abzocken

Gewerkschaften und Unternehmerverbände Spaniens haben offenbar jahrelang die Arbeitslosen und die EU betrogen. Ermittlungen zum zentralen Bildungsinstitut Forcem

MADRID taz ■ Wenn man dem spanischen Rechnungsprüfungsamt und der Staatsanwaltschaft Glauben schenken darf, ist das Berufsweiterbildungssystem Spaniens ein Selbstbedienungsladen. Unternehmerverbände und die großen Gewerkschaften, die gemeinsam das Bildungsinstitut Forcem unterhalten, sollen in den Jahren von 1996 bis 1998 insgesamt 2,1 Millionen Euro abgezweigt haben. Drei Viertel davon landeten in den Kassen der Unternehmerverbände, der Rest bei den Gewerkschaften. Eingezahlt haben dieses Geld die Beschäftigten: Ein Teil der Arbeitslosenversicherung ist für die Finanzierung der Weiterbildung Arbeitsloser reserviert.

Forcem erhält jährlich aus diesen Beiträgen 600 Millionen Euro. Laut Rechnungsprüfungsamt wurden Unmengen falscher Rechnungen für Unkosten und Lehrpersonal eingereicht. Außerdem seien ganze Kurse erfunden worden, um sie abzurechnen. Jeder fünfte Arbeiter, der sich weiterbildete, ist nicht in den Listen der Sozialversicherung zu finden – und damit nicht existent. Bei den Geldern, die im Jahr 2001 aus dem europäischen Sozialfonds flossen – bestimmt zur Weiterbildung Arbeitsloser –, sieht es noch dramatischer aus.

Insgesamt erhielt Spanien 630 Millionen Euro. Forcem organisierte mit diesem Geld nach eigenen Angaben 159.000 Kurse mit zwei Millionen Teilnehmern. Laut Ermittlungen der Staatsanwaltschaft haben zwischen fünf und zehn Prozent dieser Veranstaltungen nie stattgefunden. 36.000 der insgesamt 228.000 Unternehmen, die Zuschüsse beantragten, um bei Forcem Kurse zu buchen, existieren überhaupt nicht. Die Richterin, die wegen europäischem Subventionsbetrug, unrechtmäßiger Aneignung und Urkundenfälschung ermittelt, spricht von „einen unüberschaubaren Betrug“. Selbst das Rathaus von Madrid soll 25 Kurse erfunden haben. Sollte sich das bestätigen, würde dies außerdem den Tatbestand der Korruption erfüllen.

Die Staatsanwaltschaft beziffert die Summe der aus dem europäischen Sozialfonds veruntreuten Gelder auf 100 Millionen Euro. In den nächsten Monaten sollen über 50 Personen verhört werden. Die meisten von ihnen gehören den Arbeitgeberverbänden und den Gewerkschaften an.

REINER WANDLER