Milliarden von Millionären

In einem Brief bitten Millionäre um die Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Der rot-grünen Regierung passt die Initiative vermutlich ziemlich gut in den Kram

BERLIN taz ■ Wirtschaftsverbände, evangelische Arbeitskreise, Hilfsorganisationen haben zurzeit eines gemeinsam: ein Problem mit der rot-grünen Steuerpolitik. Alle sehen sich als Verlierer. Denn niemand will dem Staat zusätzlich Geld überlassen.

Vonwegen: 12 von 350.000 Euromillionären in Deutschland „bitten“ den „Herrn Bundeskanzler“ jetzt darum, die Vermögenssteuer wieder einzuführen, damit sie mehr Geld in die Staatskassen einzahlen können. In einem ungewöhnlichen Brief an Gerhard Schröder schreiben die Erben, Unternehmer und Einkommensmillionäre: „Das Zahlen von Steuern gehört zu den Grundpfeilern unserer sozialen Marktwirtschaft. Es beschämt uns, wenn der Eindruck entsteht, wir Vermögenden sähen uns wegen unseres Reichtums von der Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung ausgenommen. Das Gegenteil ist der Fall! Für uns gilt: Wer mehr hat, kann und sollte auch mehr geben.“

Die Gutbetuchten in Deutschland umgehen den Fiskus mit Raffinesse und gut bezahlten Steuerberatern. So verweist ein Bericht des Bundesrechnungshofs darauf, dass Vermögende mit Einkommen von 500.000 Euro im Schnitt 100.000 Euro legal am Staat vorbeisparen. Ein besonders bizarrer Fall, so der Rechnungshof: 15 Millionen Euro Jahreseinkommen – 0,3 Prozent Steuern.

Bei der Steuereinsparung hat der Staat den Millionären zudem kräftig geholfen: 1997 schaffte die Kohl-Regierung die bis dato erhobene Vermögenssteuer ab. Begründet wurde dies mit dem so genannten „Halbteilungsgrundsatz“. Der besagte, dass bei den Reichen die Belastungsgrenze erreicht ist – wegen der hohen Einkommenssteuer und dem Solidarzuschlag.

Eine Steuerpolitik mit weit reichenden Folgen: Seit der Abschaffung klafft im Staatsbudget ein Milliardenloch. 1996, dem letzten Vermögenssteuerjahr, kassierte die öffentliche Hand noch umgerechnet 4,5 Milliarden Euro von den Millionären.

Daran wollen die Unterzeichner des Briefes nicht länger schuld sein. Welche Namen hinter ihm stecken, ist unbekannt. Der Hannoveraner Steuerberater und Millionär Reiner Menta – Sprecher und Mitunterzeichner des Briefes – wollte der taz niemanden benennen. Er bestätigte aber, dass bis Jahresende 500 weitere Millionäre für die Initiative gewonnen werden sollen.

Der rot-grünen Regierung und den SPD-geführten Ländern kommt die überraschende Hilfe der zahlungswilligen Millionäre gerade recht. Würde die Vermögenssteuer wieder eingeführt, könnten bis zu 18 Milliarden Euro in die geschröpften Kassen des Hans Eichel fließen, so eine Rechnung des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Außerdem bereitet Niedersachsen eine Bundesratsinitiative für die Wiedereinführung vor. Der neue Bundeswirtschaftsminister, Wolfgang Clement (SPD), versprach der Initiative seine Unterstützung. Von der Union gibt es dafür erwartunggemäß viel Prügel. Der niedersächsische CDU-Landeschef Christian Wulff: „Abzockerei“. MARIUS ZIPPE

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