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: Fratze des Lebens

„Die Freunde der Freunde“ (Mi., 20.15 Uhr, ARD)

Nicht ganz leicht war es, in Dominik Grafs Henry-James-Adaption durch die halbtransparenten Schichten aus jugendlichem Sex & Crime und die nahezu blickdichten Hüllen aus Mystery und Liebe zum Kern dieses kleinen Wunderwerks vorzudringen. Doch es lohnte sich.

Da gibt es die Internatszöglinge Gregor und Arthur, und es gibt Billie und Pia, die Freundinnen der beiden Freunde. Arthur und Billie, die scheinbar lebenserfahreneren Fixpunkte im Leben des Romantikers Gregor, treffen im Film nie aufeinander – und bieten Anlass für allerlei dunkle Ahnungen: Sind Billie und Arthur eins? Sind sie gar Geister?

Einen Weg aus dem Labyrinth wies die Szene, in der Gregor Arthurs Freundin Pia kennen lernt: Die beiden spielen Gregor vor, Pia sei eine frisch ertappte Diebin, die für die Jungen zur Strafe nackt tanzen soll. Gregor fällt, wie der Zuschauer, auf das Spiel mit dem Ernst des Lebens, mit Gefährdung und drohender Verantwortung herein. Mag im Verlauf des Films ein Vater sterben, mögen munter Unterschriften gefälscht werden, Geister erscheinen oder Kleingangster zu Killern mutieren – die Protagonisten bleiben mysteriös lange auf der sicheren, wie man bei der Wackligkeit der digitalen Bilder stets bang ahnte: allzu sicheren Seite.

Der eigentliche Schauplatz des Films ist das Gesicht von Matthias Schweighöfer, dem Darsteller des Gregor. Es war faszinierend zu sehen, wie er allen Fährnissen freudestrahlend die Stirn bietet; selten nur verschattet sich sein Lächeln. Erst gegen Ende, als er ahnt, dass selbst der Sex seine Geliebte Billie für ihn nicht wirklich greifbar macht, entgleitet sein Gesicht zur schmerzverzerrten Fratze.

Ganz am Schluss, raffiniert im Jenseits des Sendedatums angesiedelt, resümiert Gregor: „Ich glaube immer noch, dass es für jeden Menschen irgendwo einen gibt, der zu ihm gehört. Aber für Billie war ich eben dieser Mensch nicht.“ Diese Einsicht mag man für banal halten oder für die wahlweise erschreckende oder tröstliche Erkenntnis, dass zwischen Erfahrung und Identität eine Lücke klafft, die es lebenslang auszutarieren gilt. Ein Rätsel allerdings blieb ungelöst: Warum nur wurde in diesem dunklen Jugendfilm so über die Maßen viel geraucht?

REINHARD KRAUSE