DIE DEUTSCHEN SOLLTEN GELASSEN AUF DIE TÜRKISCHE ANKLAGE REAGIEREN
: Eine lächerliche Provokation

Der Zeitpunkt hätte kaum besser gewählt werden können. In Brüssel tagen die Chefs der EU-Länder, und der türkische Staatspräsident startet eine neue diplomatische Mission. Sein Ziel: dem Land doch noch eine Beitrittsperspektive zu eröffnen. Prompt lässt die Staatsanwaltschaft in Ankara durchsickern, dass sie die deutschen Stiftungen in der Türkei wegen Spionage anklagen will. So lächerlich die Beschuldigung ist, die Absicht ist klar und könnte Wirkung zeigen: Die deutsche Regierung soll verärgert und die Befürworter einer türkischen EU-Mitgliedschaft desavouiert werden.

Zwar sind die Beitrittschancen für die Türkei bei dem kommenden Gipfel in Kopenhagen ohnehin schon minimal, aber ein unfreundlicher Akt wie die Anklage gegen die Stiftungen könnte sie ganz auf null zu reduzieren. Im Gegenzug scheint es, so berichtet zumindest die FAZ, dass die USA von der Bundesregierung zwecks Verbesserung der deutsch-amerikanischen Beziehungen erwarten, dass Schröder sich dafür einsetzt, der Türkei eine feste Beitrittsperspektive zu eröffnen.

Den türkischen EU-Gegnern muss es deshalb sinnvoll erscheinen, besonders die Deutschen zu ärgern. Ohne deutsche Unterstützung kann die Türkei wohl ihre EU-Hoffnungen insgesamt begraben. Es ist daher wichtig, auf die Provokation aus Ankara richtig zu reagieren. Die Spionagevorwürfe sind ein Konstrukt eines klar definierten politischen Lagers, das mit allen Mitteln eine weitere Annäherung der Türkei an die EU verhindern will. Eine heftige deutsche Reaktion wäre also ganz im Sinne der Erfinder der Vorwürfe.

Trotzdem muss man die Beschuldigungen natürlich zurückweisen. Die deutschen Stiftungsvertreter haben genau nach dieser politischen Maßgabe reagiert und verdienen jede Unterstützung aus Berlin. Gerade die Stiftungen arbeiten ja dafür, die Demokraten in der Türkei zu unterstützen. Deshalb sollte man nun nicht die Initiatoren der Intrige zu wichtig nehmen. Sie sind ein Teil in der innenpolitischen Auseinandersetzung der Türkei, und die Stiftungen werden von ihnen nur im Anti-EU-Kampf benutzt. JÜRGEN GOTTSCHLICH