Unter Christen: Ein Moslem als Zivi

Die Friedensgemeinde will eine Kirche nicht für ausgesuchte evangelische Gemeindeglieder sein, sondern für den ganzen Stadtteil: Im Jugendtreff herrscht im wahrsten Sinne des Wortes „multikulti“

„Ich bin schon seit acht Jahren hier in der Gemeinde und mache ehrenamtliche Jugendarbeit“, sagt Bassem Khan. „Da war es eigentlich logisch, meinen Zivildienst auch hier zu machen.“

Klingt nachvollziehbar. Ungewöhnlich wird es auf den zweiten Blick: Der 22-Jährige ist gläubiger Moslem und arbeitet in der evangelischen Friedensgemeinde an der Bremer Humboldtstraße. Dort gab es vorher gar keine Zivi-Stelle. Aber weil die Gemeinde es ernst damit meint, für alle im Stadtteil da zu sein, und weil alle Bassem schon seit Jahren kannten, beantragte man die Stelle extra für ihn.

Seit zwölf Jahren lebt Bassem Khan jetzt mit seiner Familie in Deutschland. Damals kamen die Khans als Staatenlose aus dem Libanon, wo Krieg herrschte. Vor zweieinhalb Jahren bekam Bassem seinen deutschen Pass. „Zwei Tage nachdem ich die Staatsangehörigkeit hatte, kam auch schon der Einberufungsbescheid,“ erinnert er sich mit einem schiefen Grinsen. Der junge Mann verweigerte und arbeitet statt dessen lieber mit Jugendlichen jeglicher Hautfarbe, Religions- und Staatsangehörigkeit im Jugendtreff an der Humboldtstraße.

Wie geht das zusammen, Moslem zu sein und in einer christlichen Einrichtung zu arbeiten? „Ich bete hier ja nicht“, sagt Bassem und berichtet: „Ich betreue vor allem die Jugendlichen, die Konfirmanden genauso, wie die türkischen Jungs.“ Bei den KonfirmandInnen würde der Glaube dann schon auch mal Thema sein. Bei den jungen Türken ist Bassem sich da nicht so sicher. „Ich vermute, bei denen spielt der Glaube nicht so eine Rolle.“ Die Hauptthemen sind sowieso andere: „Schule, Jungs, Mädchen“. Im Unterschied zu anderen Treffpunkten für Jugendliche existieren in der Friedensgemeinde nicht christlich-deutsche und moslemische Jugendliche getrennt nebeneinander her. Dass der Zivi selbst kein Christ ist – der einzige in Bremen, soweit er das bei Zivi-Treffen sehen kann – und oft genug für einen Türken gehalten wird, scheint dabei von Vorteil zu sein.

Über sich selbst sagt Bassem: „Ich bin kein Libanese, ich bin aber auch kein Deutscher. Ich bin einfach ein Mensch.“ Er ist der Meinung, der Verweis auf eine Nationalität – „Ich bin Deutscher“ oder „Ich bin Türke“ – würde immer auch eine Wertung beinhalten, nämlich besser zu sein. Schon seit Jahren vollführt der junge Mann einen beeindruckenden Balanceakt: Als er nach Deutschland kam, lernte er zügig die Sprache, besuchte dann auch den Unterricht in der Moschee, um sein Arabisch nicht zu verlernen. Außerdem lernte er in der Moschee mehr über seine Religion, den Islam. „Als Zehnjähriger wusste ich ja noch nicht viel.“ Auch als er schon im Jugendtreff der Kirche auftauchte, besuchte er noch den Unterricht in der Moschee. Erzählt hat er seinem Lehrer von der christlichen Einrichtung nicht. „Das war nicht so wichtig“, sagt er mit leichtem Zögern. Ein wenig habe er auch befürchtet, dass das nicht so gern gesehen würde.

Und wie hat seine Familie reagiert? Sein großer Bruder ging zuerst in den Jugendtreff. Der sollte dann bei einer Jugendfahrt als Betreuer mitreisen, musste aber kurzfristig absagen. Statt dessen sprang Bassem ein. „Meine Eltern haben uns viel Freiheit gelassen“, sagt der Zivi. „Die wissen, dass ich nicht übertrete. Warum sollte ich auch.“

Als „Grenzgänger“ wird Bassem Khan zusammen mit dem Somalier Abian Jama am 7. November im Rahmen der Islamwoche auf einem Podium zu der Frage sitzen: „Hat Integration Grenzen? Der täglich Kampf gegen Vorurteile“. Warum er das macht? „Viele von uns leben schon sehr lange in diesem Land, aber eine Menge Deutsche wissen immer noch nicht viel über uns.“ Das geht ihm manchmal auf die Nerven geht. „Aber dicht machen und sagen: ’Die Deutschen interessieren mich nicht‘, das hilft nicht weiter.“ Also setzt er sich hin, um Ängste zu nehmen. Zu der Aufforderung des Islam, den Glauben weiter zu verbreiten, sagt er: Ich lebe meinen Glauben und damit verbreite ich ihn schon.“

Während Bassem sich im Name der Integration wieder einmal den Fragen der Deutschen stellt, macht der deutsche Staat den Khans die Integration nicht leicht: Seine Eltern und seine jüngeren Geschwister warten immer noch darauf, die deutsche Staatsangehörigkeit zu bekommen, obwohl alle gleichzeitig den Einbürgerungsantrag gestellt haben.

Ulrike Bendrat