vorlauf
: Sehr arm an Überraschungen

„Tatort – Undercover“ (So., 20.15 Uhr, ARD)

Eine Intensivstation während der Nacht. Es ist still, kein Personal wuselt über den Flur. Plötzlich stürzt ein Mann aus einem Krankenzimmer ins Bild, strauchelt vor Kraftlosigkeit, fällt zu Boden – und stirbt. Wie sich herausstellt, ist der Kranke ein Polizist, der an einer Überdosis Beruhigungsmittel verendet. Eine pikante Todesursache, war der Mann doch beruflich als Drogenfahnder tätig.

Sein Kompagnon zweifelt an der Theorie vom natürlichen Tod; einer müsse nachgeholfen haben, um die Ermittlungen gegen Geldwäsche und Mafia zu zermürben. So weit der Plot – ehe der Kommissar-Manfred-Stöwer-Krug-Nachfolger Robert Atzorn als Oberermittler Jan Casstorff auf den Plan tritt.

Nach anderthalb Stunden hat er die Welt wieder im Griff, das ist beim „Tatort“ ohnehin zu erwarten. Fraglich ist nur, ob diese Folge ebenso zum ARD-Quotenglück beitragen kann wie die ersten Casstorff-Geschichten: Muss den Zuschauern wirklich nicht auf die Nerven gehen, dass die Örtlichkeiten alle wie aus dem Manufactumkatalog aussehen – selbst das Verhörzimmer? Muss es nicht nerven, dass die angebliche Vater-Sohn-WG von Casstorff und Filius stets so aussieht, als wohnten die dort nicht wirklich? Und weshalb macht Robert Atzorn immer den gleichen gestressten, leicht pädagogophilen Eindruck wie bei seinen anderen Serien, in denen er bevorzugt Pfarrer, Lehrer und Kapitäne spielte?

Jedenfalls: Der russischen Mafia kommt die Story nicht so recht auf die Spur. Muss auch nicht. Aber dass der Mord am Polizisten sich als fast versehentlich geschehen erweist, wäre noch zu verkraften: Nicht aber, dass das Finale überhaupt an dieser Konstruktion hängt.

Michael Schenk, der den Part des scheinbar Getöteten gibt, hatte keinen guten Rollenberater: So manisch, so unfein er spielt, glaubt man ihm gar nichts, schon gar nicht die Sorge um das Schicksal seines Kumpels. Sollte die Quote doch wieder stimmen, wäre die gute alte Sonntagabendtheorie der ARD (und der anderen Sender) bestätigt: Sende nie, was Überraschungen birgt; das mögen die Zuschauer am Vorabend einer Arbeitswoche nicht. Dieser „Tatort“ wird sie gut arbeiten lassen. JAN FEDDERSEN