Reformer bekommt eine zweite Chance

Der Sozialdemokrat und Wahlsieger Branko Crvenkovski wird neuer Regierungschef Mazedoniens

Der Mann ist auf den ersten Blick für die meisten Menschen eine sympathische Erscheinung. Leger, so trat der bärtige, schlanke und dynamische Mann während des Wahlkampfes in Mazedonien auf. Das ist nicht selbstverständlich in einem Land, wo die Menschen sehr viel Wert auf korrektes und konservatives Äußeres legen. Branko Crvenkovski sollte sich als moderner Reformer darstellen. Und das vergessen machen, was ihm aus der ersten Zeit als Premierminister noch anhaften mag: zu sehr verwoben zu sein mit dem kommunistischen Apparat der alten Zeit, aus der er selbst als ganz junger Mann hervorgegangen ist.

Vergessen sollen die Korruptionsskandale sein, die mit seiner ersten Amtszeit 1992–98 verbunden sind. Der 1962 in Sarajevo geborene Branko Crvenovski hatte Ende der Achtziger- und Anfang der Neunzigerjahre eine politische Blitzkarriere gemacht. Damals, in der Zeit des Umbruchs und des Zerfalls Jugoslawiens, stimmte er mit der damaligen Parteiführung überein, die Unabhängigkeit des Landes anzustreben. Schon vor dem Krieg in Kroatien bezog die mazedonische Partei Position gegen Milošević und stimmte im Staatspräsidium Jugoslawiens mit Slowenien, Kroatien und Bosnien-Herzegowina gegen den „serbischen Hegemonieanspruch“.

Nach den ersten freien Wahlen 1990 fand sich Crvenkovski mit seinen Parteigenossen in der Opposition wieder – die jetzt geschlagene Nationalistenpartei VMRO gewann die ersten Wahlen. Doch unter seiner Führung gelang es ihm, die alte Partei fit zu machen für den Machtwechsel 1992. Und mit 30 Jahren war Crvenkovski plötzlich der jüngste Regierungschef in Europa.

Der Krieg in Kroatien und Bosnien, der Konflikt über den Namen des Staates mit Griechenland zwangen ihn damals allerdings in außenpolitische Isolierung, zumal auch Albanien keineswegs als befreundeter Staat zu werten war. In Bulgarien kamen Wünsche auf, Mazedonien zu annektieren. Angesichts der Konflikte gab es so objektive Gründe für die Talfahrt der Wirtschaft in seiner Regierungszeit.

Die jetzt an die Macht zurückgekehrte SDSM – Sozialdemokratische Partei Mazedoniens – möchte diese Zeit vergessen machen. Sie hat sich reformiert, auch wenn noch einige ältere Gesichter in der Führung sitzen. Das von den Sozialdemokraten angeführte Parteienbündnis sammelte die Vertreter der Minderheiten – so die Serben, die Roma, die Vlachen, aber auch die Albaner der bei den Wahlen am Sonntag allerdings erfolglosen „Partei der Prosperität“. Dennoch gelang es ihm, mit 61 Sitzen die absolute Mehrheit zu erreichen.

Trotz dieses überwältigenden Wahlsieges und der Aufforderung an die Menschen, die Ärmel hochzukrempeln, wird in den nächsten Wochen das politische Fingerspitzengefühl Crvenkovskis gefordert sein. Denn er weiß, dass er mit seiner Koalition alleine das Land nicht zusammenhalten kann. Er braucht die Unterstützung des Wahlsiegers unter der albanischen Bevölkerung. Und dieser Wahlsieger ist mit Ali Ahmeti kein anderer als der ehemalige Chef der UÇK, die im vorigen Jahr Krieg gegen die bisherige Regierung führte. Viele slawische Mazedonier können das nicht vergessen. Sie können sich nicht vorstellen, dass Ahmeti in der Regierung sitzen wird. Crvenkovski steht schon zu Beginn seiner Amtszeit unter der größtmöglichen Belastungsprobe, die vorstellbar ist. ERICH RATHFELDER