Ab durch die Hintertür

Bevor man eine teure Serie in Auftrag gibt, ist es ratsam, erst mal die Akzeptanz eines Stoffs zu testen. Mit Hilfe eines „Backdoor-Piloten“ – eine Erfolgsgarantie bietet er den Sendern allerdings auch nicht

von HEIKO DILK

Wenn das mal so einfach wäre. Wenn aus einem erfolgreichen Film automatisch auch eine erfolgreiche Serie würde, dann dürften Sat.1-Zuschauer sich im nächsten Jahr auf „Körner und Köter“ und „Der Elefant“ freuen. „Mit Herz und Handschellen“ hat noch gute Chancen, muss aber erst mal den Test bestehen. Der findet heute Abend um 20.15 Uhr statt. Wenn’s gut läuft, haben die Hauptdarsteller in nächster Zeit gut zu tun.

Sat.1 hat in diesem Herbst gleich fünf Backdoor-Piloten und einen Backdoor-Zweiteiler gezeigt. Eigentlich hat der Sender also planmäßig Ausschussware produziert. Denn das Wesen eines Backdoor-Piloten ist es nun mal, irgendwann als Serie zurückzukehren – dass allen sechs Filmen dieses Glück zuteil wird, ist wohl ausgeschlossen.

Nun ist der Backdoor-Pilot keine Sat.1-Erfindung. RTL war da wohl Vorreiter. Die Krimiserie „Der Unbestechliche“ kam durch die Hintertür, ebenso wie die Polizeisoap „Abschnitt 40“. Bald startet das Actionformat „Wilde Engel“, dessen Pilot im Frühjahr zu sehen war. RTL-Sprecher Claus Richter hält den Backdoor-Piloten für eine gute Möglichkeit, etwas über die Wirkung einer möglichen Serie herauszufinden.

„Kreative Geduld“

Denn die Marketingstrategen irren – jedenfalls gelegentlich. Richter fällt da „Großstadtträume“ ein. Die Serie wurde vorproduziert und war auf 26 Folgen angelegt. Wie könnte eine Art „GZ–SZ“ für Erwachsene je scheitern? Nach sieben Episoden wurde „Großstadtträume“ abgesetzt.

Das Besondere bei Sat.1 ist, dass extra ein „Kreativ-Wettbewerb“ veranstaltet wurde, bei dem 42 Produktionsfirmen ihre Exposés einreichten, zwölf kamen in die engere Wahl, und fünf wurden letztendlich ausgewählt und zunächst als Spielfilm produziert. Denn ein 90-Minüter ist nun mal billiger, als zehn, dreizehn oder noch mehr Folgen einer Serie. Sat.1 zum Beispiel gibt für einen Spielfilm etwa 1,5 Millionen Euro aus, während eine Serienfolge mit rund 500.000 Euro zu Buche schlägt. Da hat man dann schon eine ganz erkleckliche Summe in den Sand gesetzt, wenn man nach zwei bis drei Folgen feststellt, dass die auf 26 Folgen angesetzte Serie nicht gut ankommt. Da ist „kreative Geduld“ gefragt, wie Sat.1-Sprecher Dieter Zurstraßen in Bezug auf „Die Anstalt“ sagt.

Nun ist die kürzlich gestartet Sat.1-Psycho-Soap ein ausgesprochen schlechtes Beispiel für die Vorzüge der Backdoor-Strategie. Auch dafür gab es nämlich einen Testballon, der hieß „Der Freund meiner Mutter“ und hatte recht ordentliche Quoten. Und auch die Marktforschung ergab, dass die Leute für Geschichten aus der Geschlossenen durchaus etwas übrig haben. Also wurden 26 Folgen in Auftrag gegeben. Die sind fertig und sollen natürlich auch alle ausgestrahlt werden. Weil die Serie aber nur auf geringes Interesse bei den Zuschauern stößt, ist danach Schluss. „Das zeigt die Grenzen der Marktforschung auf“, sagt Zurstraßen.

Darauf verzichten will man natürlich trotzdem nicht. Wenn heute Abend also „Mit Herz und Handschellen“, der letzte Beitrag des „Kreativ-Wettbewerbs“, gelaufen ist, wird in „qualifizierten Gruppengesprächen“ mit einem Dutzend Zuschauern und einem Marktforschungsexperten ermittelt, welchem der sechs Piloten die Zuschauer genug Stoff für eine Serie zutrauen.

Kondition gefordert

Jan Kromschröder, Leiter Eigenproduktionen bei Sat.1, der sich den Wettbewerb ausgedacht hat, sagte kürzlich dem Fachblatt Medien Bulletin, er rechne damit, dass nur zwei bis drei der Filme „Dauerläuferkondition“ hätten.

Bei der Produktionsfirma Hofmann & Voges Entertainment, von denen „Mit Herz und Handschellen“ stammt, glaubt man, dass folgende Konstellation einen langen Atem hat: Schwuler Kommissar löst mit Hetero-Kommisarin Fälle. Und beide haben so ihre Beziehungsprobleme. Nun ist der hübsche blonde Kommissar, der von Henning Baum gegeben wird, nicht nur schwul, sondern auch noch ein Frauentyp und der beste Freund der Kommissarin (Elena Uhlig). Eigentlich also der ideale Partner seiner Partnerin – auch privat. Das lässt Raum für allerlei Ent- und Verwicklungen, die im Piloten nur angedeutet werden.

Allein der Auftraggeber, Sat.1, weiß schon genauer Bescheid. Hofmann & Voges musste nämlich schon mal Drehbücher für mögliche Folgen von „Mit Herz und Handschellen“ entwickeln. „Das ist ein extremer Aufwand“, sagt Mischa Hofmann, einer der beiden Geschäftsführer. „Die Bücher werden zwar vom Sender finanziert, aber die gesamte Arbeit, deckt das nicht ab.“

Einen Backdoor-Piloten in Auftrag zu geben, hat also vor allem für die Sender Vorteile. Zurstraßen nennt das „Flop-Vorsorge“. Man kann auch von „Risikominimierung“ sprechen, wie Martin Berthoud von der ZDF-Programmplanung.

Auch bei den Öffentlich-Rechtlichen hat die Backdoor-Strategie nämlich mittlerweile wesentlich mehr Bedeutung, als noch vor sechs bis sieben Jahren. Wenngleich sie, wie gesagt, auch keine Erfolgsgarantie darstellt.

Beim ZDF testet man statt eines einzelnen Films denn auch noch lieber Miniserien mit fünf bis sechs Teilen. „Da kann man schon ziemlich genau abschätzen, ob eine Serie funktioniert“, sagt er. Und es würden Zufälligkeiten, denen ein Backdoor-Pilot ausgesetzt ist, weitgehend ausgeschaltet. Schließlich hängt die Quote an einem einzelnen Abend ja auch immer davon ab, was sonst noch so läuft.