Entlastender Tag für Motassadeq

Die Belastungszeugen der Anklage sind zu Entlastungszeugen für Mounir El Motassadeq geworden. Drei Bekannte des Marokkaners, die diesen bei Verhören vor der Polizei des fanatischen Islamismus beschuldigt hatten, haben ihre Aussagen gestern vor dem Oberlandesgericht zurückgenommen. „Ich bin da zu weit gegangen“, sagte ein ehemaliger Vermieter Motassadeqs, der zuvor behauptet hatte, Motassadeq würde „seine ganze Familie umbringen, wenn der Islam das von ihm verlangen würde“. Er räumte ein: „Ich war damals so bestürzt über das Geschehene, dass ich mich da zu sehr reingesteigert habe.“

Motassadeq ist angeklagt, die Anschläge des 11. September mit vorbereitet zu haben. Das Gericht versucht durch Zeugen herauszufinden, ob er so fundamentalistisch ist, dass er die Anschläge aus religiösen Gründen unterstützt haben könnte. Motassadeq selbst bestreitet das. Ein ehemaliger christlicher Kommilitone widerrief seine frühere Aussage, Motassadeq habe erklärt, dass man Nichtmoslems notfalls zum Konvertieren zwingen müsste: „Er hat nie versucht, mich zu bekehren.“ Und Motassadeqs Freund Ahmed M. sagte vor Gericht, dass er gezittert hatte, als er in den Medien die Bilder der mutmaßlichen Attentäter sah. „Ich habe das nicht geglaubt. Wir persönlich wollten nicht mit der Waffe in der Hand kämpfen.“ Oft habe er sich mit dem späteren Todespiloten Mohammed Atta über dessen strenge Religiösität gestritten. Motassadeq aber „hörte immer nur zu“.

Dieser Zeuge entlastete Motassadeq auch in einem anderen wichtigen Punkt: Die BAW wertet als Indiz für seine Tatkenntnis, dass Motassadeq 1996 das Testament Attas als Zeuge unterschrieb. Ahmed M. aber sagte, ein frommer Moslem wie Atta müsse sein Testament unter dem Kopfkissen haben, da er nicht wisse, ob er am nächsten Morgen wieder aufwache. Ein solches Testament sei eine „allgemeine Sache: Motassadeq ist Opfer eines großen Missverständnisses.“ ELKE SPANNER