Aus allen Wolken gefallen

Nach neun Jahren auf der Flucht wurde der Finanzjongleur Jürgen Harksen an Deutschland ausgeliefert

Eine neunjährige Flucht ist zu Ende. Gestern kündigte der südafrikanische Justizminister die Auslieferung des deutschen Finanzjongleurs Jürgen Harksen an. Die Umsetzung folgte auf dem Fuß. Harksen wurde am Morgen aus seiner – an seinem sonstigen Lebensstil gemessen – wenig komfortablen Gefängniszelle in Kapstadt geführt. Das Ziel sei unbekannt, schrieb eine deutsche Nachrichtenagentur.

Doch für großes Rätselraten dürfte die Verbringung von Jürgen Harksen nicht sorgen. Seit Jahren beißen sich deutsche Behörden die Zähne an der Auslieferung Harksens aus. Harksen entzog sich dieser zunächst mit allen juristischen Winkelzügen. Mit gutem Grund: Wegen zweihundertfachen Betrugs ermittelt die Hamburger Staatsanwaltschaft gegen den 41-Jährigen. Siebzig geprellte Anleger haben mit dem Luftikus noch eine Rechnung über fast 33 Millionen Euro offen. Dem selbst ernannten Finanzgenie droht mehrjähriger Knast.

Seine schillernde Karriere begann der gebürtige Flensburger zunächst als Sozialhilfeempfänger. Dann verdiente er sein Geld als Scheckkartenbetrüger und wechselte danach ins Geschäft der Heiratsschwindelei.

Doch das war mühsam und brachte wenig. Der große Wurf gelang Harksen als Quasizauberer im Finanzgeschäft. Die Formel des Magiers hieß „Faktor 13“. Das bedeutete, wer bei Harksen Geld anlegte, sollte die 13fache Menge zurückerhalten. Die Gutbetuchten Hamburgs, davon gibt es in der Hansestadt viele, standen bei Harksen Schlange: Juweliere, Ärzte, Sankt-Pauli-Größen und Showbiz-Stars. Sie alle glaubten den wolkigen Renditeversprechungen. Warum auch nicht? Fuhr doch der erfolgreiche junge Mann in dicken Limousinen durch die Gegend, empfing in pompösen Geschäftsräumen und sollte ein Milliardenvermögen mit einer Fluglinie verdient haben.

Das Geschäft mit der Geldgier boomte. Zum Teil zweistellige Millionensummen, oftmals hektisch zusammengeborgt, investierten die Reichen bei dem als intelligent und redegewandt geltenden Harksen. Doch lange funktionierte das raffinierte Umverteilungssystem nach dem Prinzip „Dort nehmen, da geben“ nicht. Udo Lindenberg und Dieter Bohlen erhielten ihr Geld noch zurück. Aber ein misstrauischer Immobilienkaufmann brauchte schon zwei Kiezschläger, um sein Investment plus Zinsen wieder einzutreiben.

Ende 1993 wurde die Luft für Harksen immer dünner. Die Drohungen gegen ihn mehrten sich. Im Interesse seiner Sicherheit und die seiner Familie setzte er sich nach Südafrika ab. Stets dementierte er, dass er geflohen sei. Alle Anleger, so versprach er, würden ihr Geld zurückbekommen. Doch darauf warten sie bis heute. Harksen machte sich mit zwanzig Millionen Mark ein schönes Leben im „sonnigen“ Kapstadt, wie er die neue Heimat gerne lobte.

Zu tun gab es aber kaum noch etwas für ihn. Ein Mensch mit dem bewegten Leben eines Jürgen Harksen musste sich schnell langweilen. Warum nicht auch mal als Buchautor arbeiten? Harksen begann, ein Buch über seine naiven, gutgläubigen Kunden zu schreiben. Der Arbeitstitel lautete „Die große Gier“.

Der gewiefte Finanzjongleur dürfte da einiges zu berichten haben – ist doch letztlich das Thema Gier auch ihm nicht ganz fremd. Das Buch wird also auch von ihm handeln. MARIUS ZIPPE