Schubladen des Benehmens

Wer „Gesundheit“ sagt, meint nur sich selbst. Warum „der Knigge“ ein großes Missverständnis ist: Benehmensberaterin Marlies Smits findet, nur wer die Regeln kennt, kann sie bewusst verletzen

von SANDRA WILSDORF

Die Sache mit dem alten Knigge gehört zu den großen und unsterblichen Missverständnissen: Dass heutzutage die meisten Menschen den Freiherrn zitieren, wenn sie nach einer Autorität für ihr ganz persönliches „das tut man nicht“ suchen, wird dem Aufklärer nämlich gar nicht gerecht. Denn der 1752 bei Hannover geborene Kleinadlige brachte sich bei seinen adligen Gönnern in Ungnade, weil er sich entschieden für Menschenrechte einsetzte. 1788 schrieb er das, was heute als „der Knigge“ gilt, aber eigentlich „Über den Umgang mit Menschen“ heißt.

Und darin „hat er keine Regeln, sondern eher eine Typologie der Menschen aufgestellt“, erklärt „Benehmensberaterin“ Marlies Smits, die auch noch mit einigen anderen Vorurteilen aus dem Reich des guten und schlechten Benehmens aufräumt.

Zum Beispiel mit dem „Gesundheit“, das der höfliche Mensch sagt, wenn jemand niest. Völlig überholt. „Das gilt als Floskel“, bescheidet Smits, und überhaupt sei es nie Zeichen der Anteilnahme gewesen, sondern eher ein beschwörendes „ich krieg das nicht“. So kann man sich irren.

„Benimm ist in“, findet die Großhansdorferin, und als die Kinder aus dem Haus waren, startete sie mit ihrem Hang zum guten Benehmen eine zweite Karriere. Es begann mit einem Workshop an der Volkshochschule und einer „enormen Resonanz“. Das ist jetzt vier Jahre her, inzwischen zählen etliche Unternehmen zu ihren Kunden – und viele HamburgerInnen.

„In meine Seminare kommen überwiegend junge Leute zwischen Mitte 20 und Mitte 30“, sagt Smits. Menschen, die die Karriereleiter erklimmen und sich plötzlich auf einem Parkett bewegen müssen, auf dem sie auszuglitschen fürchten. „Das ist die Generation, die in einer Zeit aufgewachsen ist, als nicht so viel Wert auf das Benehmen gelegt wurde.“

Dabei, so glaubt Marlies Smits, sind gute Umgangsformen wichtiger Bestanteil des ersten Eindrucks, der blitzschnell darüber entscheidet, in welcher Schublade wir landen: „Kleidung und Körpersprache machen etwa 60 Prozent aus, das Auftreten – und dazu gehört auch das Benehmen – etwa 15 Prozent.“ Was man sagt, sei hingegen ziemlich egal: Die ersten fünf bis sechs Sätze machen nur etwa sieben Prozent des ersten Eindrucks aus.

Weil leicht verkrampft wirkt, wer sich auf Regeln konzentriert, plädiert die Benehmensberaterin, die für Joschka Fischers Turschuhauftritt im hessischen Landtag heute noch kein Verständnis hat, dafür, die Regeln kennen zu lernen, um sie auch mal bewusst außer Acht zu lassen. So mag sich vielleicht gehören, den Gast vorgehen zu lassen. Praktisch ist das jedoch nicht, wenn der nicht weiß, wo es langgeht. Aber es ist beispielsweise gut zu wissen, dass immer der Ranghöhere entscheidet, ob Hände geschüttelt werden, oder nicht. Wer das ist? Der Chef, der Gastgeber, die Frau.

Bei der „langen Nacht der Weiterbildung“ am 29. November stellen sich im Institut der Weiterbildung an der HWP die Kontaktstudiengänge Sozial- und Gesundheitsmanagement, Kultur- und Bildungsmanagement sowie Medienmangement vor. Außerdem gibt Marlies Smits mit dem „Jobknigge – Sicheres Auftreten durch gute Umgangsformen“ einen Vorgeschmack auf einen Workshop im März. Infos unter www.benehmensberatung.de oder beim Institut unter 040-42838 6128