In der Bürgerfunk-Diaspora

Gestern begann in Dresden der Bundeskongress Freier Radios. Düstere Aussichten

DRESDEN taz ■ Ihr Sendekontingent erinnert an Kindesumgangsregelungen getrennter Väter, wie sie Udo Jürgens einmal in einem Titel beschrieb: vier Stunden in der Woche. Mehr erlaubt die sächsische Landesmedienanstalt den Freien Radios in Leipzig, Chemnitz und Dresden nicht.

Als Fenstergast des kommerziellen Dudelfunks heißt es beispielsweise in Dresden jeden Donnerstagabend 20 Uhr die Gefühle abrupt zu wechseln. Weil man sich hier in der Landeshauptstadt inzwischen als bundesweites Schlusslicht und medienpolitisches Stiefkind fühlt, richtet die Radio-Initiative Dresden den diesjährigen Bundeskongresses Freier Radios aus. Geredet wird über Programm- und Finanzierungsmodelle, aber eben auch über die sehr unterschiedliche Situation der Bürgerradios in den Bundesländern.

Eine „verfahrene Situation“ herrsche in Sachsen, sagt Martin Dehnke vom Dresdner „coloRadio“. Dabei keimten noch im September Hoffnungen auf, über eine Novellierung des Privatfunkgesetzes Verbesserungen zu erreichen. Vor allem aber, so Anke Lietzmann von „coloRadio“, schien „das Image einer Clique von Spinnern oder Terroristen zu bröckeln“. – Ein für Dresden wichtiger Hinweis, denn die Radioinitiative wurde geschickt mit Linksextremismus und Drogenwerbung in Verbindung gebracht. Die CDU-Mehrheit im Stadtrat versuchte bislang vergeblich, sie durch Streichung aller Zuschüsse auszuhungern.

Potenzial für eine Programmerweiterung seien bei mehreren hundert ehrenamtlichen MitarbeiterInnen vorhanden, betonen die Radiomacher. Fast ohne Budget vollbringen sie Erstaunliches. Ihre Mikrofone sieht man gerade bei brisanten Zukunftsthemen, die der MDR oder gar Privatradios nicht besetzen. Doch die Stimmung kippt wieder in Resignation zurück. Martin Dehnke spricht von verbaler Anerkennung, die ohne Folgen bleibe. „Die Nichtkommerziellen sollen offenbar bedeutungslos bleiben.“ MICHAEL BRAUN