Teile und herrsche

34 Minister verhandeln in Quito über die kontinentale Freihandelszone. USA wollen Extraabkommen

BUENOS AIRES taz ■ Robert Zoellick ist ein Mann mit Visionen. Wenn der US-Handelsbeauftragte über die von seiner Regierung beworbene Freihandelszone von Alaska bis Feuerland (FTAA) spricht, sieht er blühende Landschaften. „Die FTAA-Verhandlungen geben den USA die Möglichkeit, den amerikanischen Kontinent zu mehr Stabilität, Wirtschaftswachstum, besserer Lebensqualität und höheren Löhnen zu führen.“

Luiz Ignaćio da Silva, genannt Lula, ist ebenfalls ein Mann mit Visionen. Spricht der künftige Präsident Brasiliens von dem selben Freihandelsprojekt, dann hört sich das anders an: „Die FTAA ist weniger ein Freihandelsabkommen, sondern eine Annexion des lateinamerikanischen Kontinents durch die USA.“ Tiefer könnten die Gräben zwischen den beiden wichtigsten Ländern bei den gegenwärtig tagenden FTAA-Verhandlungen in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito kaum sein.

Bis 2005, so der ehrgeizige Plan, soll ein Vertragswerk unterzeichnet werden, das die größte Freihandelszone der Welt schaffen wird, in der 800 Millionen Menschen leben. Aber das allein dürfte kaum ausreichen, um den skeptischen Lula oder die ebenfalls skeptische argentinische Regierung für die FTAA zu begeistern. Denn für beide Länder ist der Agrarexport eine wichtige Einnahmequelle. Daher trifft es sie sehr hart, dass die USA im Mai dieses Jahres ihr Budget für Agrarubventionen für die nächsten zehn Jahre um 73 Milliarden US-Dollar, also um 70 Prozent, aufgestockt haben.

Angesichts solcher Partner im Norden will Lula das kränkelnde südamerikanische Freihandelsprojekt Mercosur wiederbeleben. Selten waren die Bedingungen für den Mercosur so gut wie heute. Argentinischer Peso und brasilianischer Real sind fast gleich viel wert. In der Vergangenheit scheiterte die Süd-Süd-Zusammenarbeit meist an den unterschiedlichen Währungssystemen in den beiden Ländern. Und politisch scheinen sowohl die Brasilianer wie auch die Argentinier erst einmal genug von neoliberalen Experimenten zu haben. Und schon überlegt Venezuelas Präsident Hugo Chávez, ob er sein Land ebenfalls an den Mercosur bindet, zu dem bislang neben Argentinien und Brasilien Paraguay und Uruguay und als assoziierte Mitglieder Bolivien und Chile zählen.

Zoellick hat die Gefahr erkannt, dass der Freihandel in Südamerika eventuell ohne die USA stattfinden könnte, sollte sich Lula durchzusetzen. Daher versucht er Lateinamerika zu spalten und bilaterale Verträge zu schließen. Mit Chile will er bis zum Ende des Jahres ein Freihandelsabkommen unterzeichnen, Verhandlungen mit fünf zentralamerikanischen Ländern sind anberaumt. INGO MALCHER