Die Latzhosenzone

Auf der Suche nach dem gemeinen Kuschelpädagogen

Was ist Kuschelpädagogik? Wohl nichts Gutes, denn nach der Pisa-Blamage wissen wir, dass Schluss sein muss damit. Schluss mit Lehrern, die Stühle und Tische aus dem Klassenraum schaffen und sich mit ihren Zöglingen sowie kuscheligem Steiff-Getier auf Matratzenlagern wälzen, beschallt vom kuschelrockenden John Bon Jovi. Klar, dass da kaum ernsthafte Kurvendiskussionen aufkommen, von Sprachkompetenz und Musikgeschmack ganz zu schweigen.

Schuld an der Kuschelpädagogik, die schuld an der großen allgemeinen Dummheit ist, ist der 68er mit seinem antiautoritären Quatsch, der Sozi sowieso und natürlich, allen voran, der Kuschelpädagoge, der ja ein 68er-Sozi ist. Was tut der eigentlich, außer auf Matratzenlagern in Klassenzimmern lümmeln? Unseren Nachwuchs verweichlichen, weil er keine Leistung fordert, keinen Druck macht, keinen Respekt einflößt, keine Ordnung schafft, sich stattdessen gemein macht mit dem Feind … äh, Schüler. Dein Stündlein hat geschlagen, Kuschelpädagoge!

Wenn man sich umsieht in der natürlichen Behausung des Kuschelpädagogen, der Gesamtschule, fällt als Erstes auf, dass der gemeine Kuschelpädagoge sich geschickt tarnt. Keine Matratze, kein Kuscheläffchen, kein Fusselbart, keine Jesuslatschen, keine Latzhosen, nur Klagen über schülerische Dummheit, Faulheit und Ignoranz. Kein Statement für das Kuscheln, keine Buttons wie „Ich bin Kuschelpädagoge“ oder „Kuscheln fürs Abi“, kein fröhliches oder entspanntes Schülergesicht im Unterricht, dafür jede Menge Hausaufgaben – kurz: keinerlei Kuschelverdacht, allerorts kuschelfreie Zonen. Eigentlich ist alles so wie früher, in einer Schulzeit, als die 68er noch Terroristen waren und noch nicht unsere Kinder erzogen – oder besser: nicht erzogen haben.

Eine Katastrophe. Wird der Kuschelpädagoge doch dringend von der gesamten Nation gebraucht, zumindest für den Tritt in seinen Arsch. Weil er nämlich Schuld an der Bildungsmisere ist und man sich seiner so entledigen kann. Wenn es ihn nun aber gar nicht gäbe? Wie dann die Bildungskatastrophe abwenden?

Doch dann entdeckt man bei der Recherche doch den Kuschelpädagogen: in einem Gymnasium einer schleswig-holsteinischen Kleinstadt. Der Unterricht ist schon vorbei, als er sich vom Rad schwingt, in seiner lila Latzhose, mit seinen Sandalen, seinen langen Haaren, Kuschelfaktor zehn. Das ist er also, der uns so tief in die Scheiße geritten hat, dass Finnen, Japsen und Koreaner uns auslachen. Er zieht den Schraubendreher aus der Latzhose und – oje, es ist der Hausmeister. JOACHIM FRISCH