Sechs Profitipps für einen Schmalhans

Der Senat erklärt heute offiziell eine extreme Haushaltsnotlage, mit anderen Worten: Berlin ist pleite. In der taz erklären schon mal Experten, wie man als Schuldner überlebt und den Weg aus der Krise findet

Nach monatelangem Gezeter beschließt der Senat offiziell den Haushaltsnotstand für Berlin. Mehr Geld birngt das vorerst auch nicht in die Kassen, aber Tipps von Profis für ein Leben als Schuldner und psychologische Hilfe für den Weg aus der Krise.

Die Fehlfarben

„Sieh nie nach vorn, sieh nie nach vorn / Was hab ich denn da vorn verlor’n?“ Aus der Fehlfarben-CD „Knietief im Dispo“

Der Schuldnerberater

„Vor allem braucht der Klient juristische Beratung, manchmal auch psychologische Betreuung. Und zwar langfristig. Grundsätzlich muss klar werden, dass das Leben weitergeht. Wenn auch in anderer Form. Zum Beispiel müssen die Ausgaben den Einnahmen angeglichen werden, auch wenn der Klient gewohnt war, sehr viel Geld auszugeben. Leicht fällt das sicher nicht. Vor allem dauert es, bis Schulden abgebaut sind. Viele wollen schnelle Hilfe mit sofortiger Wirkung. Aber ein chronisches Rückenleiden lässt sich schließlich auch nicht mit ein paar Stunden Gymnastik behandeln. Psychologisch hilft die Tatsache, dass sich der Klient in relativ guter Gesellschaft befindet. Über drei Millionen überschuldete Haushalte gibt es bundesweit. Leider hat der Staat selbst negative Signalwirkung. Dennoch: Es gibt Erfolgserlebnisse. Zwischen 10 und 30 Prozent der Haushalte schaffen je nach Schwere der Fälle in Berlin die Entschuldung.“

Peter Zwegat arbeitet seit 15 Jahren bei Dilab, einer Beratungsstelle für Überschuldete. Dilab ist Mitglied der Landesarbeitsgemeinschaft Schuldner- und Insolvenzberatung Berlin.

Die Bibel

„Der Schuldige soll seine Schuld erstatten nach ihrer vollen Summe und soll noch ein Fünftel davon hinzufügen und es dem geben, an dem er schuldig geworden ist.“ 4. Mose 5, 7

„Darauf aber sagte ich: Was ihr tut, ist nicht recht. Wollt ihr nicht das Gebot unseres Gottes gewissenhaft einhalten, um so dem Hohn der uns feindlichen Völker zu entgehen? Auch ich und meine Brüder und meine Diener haben Stammesbrüdern Geld und Getreide geliehen. Erlassen wir ihnen doch diese Schuldforderung. Gebt (sie) ihnen unverzüglich (…) zurück, und erlasst ihnen die Schuld (…), die sie bei euch haben.“ Nehemia 5, 9–12

„Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, dann wird euer himmlischer Vater auch euch vergeben.“ Matthäus 6, 12, Vaterunser

Die polnischen Versager

„Wenn man bedenkt, dass die Volksrepublik Polen 1989 nach ihrem Zusammenbruch 35 Milliarden Dollar an Schulden angehäuft hatte, spricht die Leistung Berlins für sich. Nun ist die Pleite ja eine virtuelle, sie trifft niemanden persönlich, der dafür in Haft genommen würde. Trotzdem halte ich den offiziellen Beschluss des Senats, das Zugeben des eigenen Versagens, für einen Akt der Ehrlichkeit, der unseren Prinzipien von Gesellschaft sehr entspricht. Natürlich vorausgesetzt, dass er ehrlich gemeint ist. Für gewöhnlich wird es nicht sehr geschätzt, Pleite zu gehen und dazu zu stehen. Anschließend lebt es sich aber bequemer. Man ist raus aus dem Rattenrennen einer Ellbogengesellschaft, die auf Erfolg getrimmt ist. Der Erfolgsdruck fällt weg. Wenn das Land Berlin unserem Club beitreten wollte, würde uns das sehr schmeicheln. Einzige Aufnahmeregel: Der Aufnahmekandidat muss uns sympathisch erscheinen. Als Mitglied könnte Berlin von dem medialen Hype profitieren, der um unseren Verein gemacht wird. Es könnte an ihm teilnehmen und dadurch sein Image aufpolieren. Denn unser Verein wird durchgängig als sehr sympathisch dargestellt. Dann wiederum wäre es die Sache von Berlin, was es aus dem besseren Image macht.“

Tomasz Sosinski ist verantwortlich für die Organisation im „Club der polnischen Versager“, der sich im April 2000 in Berlin gegründet hat. Club-Philosophie: „Versagen als Kunst des Lebens“.

Die Kassiererin

„Leider lässt nicht nur die Zahlungsmoral des Staats zu wünschen übrig. Auch als Gläubiger könnte er effizienter arbeiten. Zum Beispiel darauf achten, dass Zahlungsfristen besser eingehalten werden. Steigern lässt sich die Effizienz auf zwei Arten: zum einen in Form des so genannten Debitorenmanagements. Das bedeutet, dass der Senat sein Forderungsmanagement, also das Eintreiben von ausstehenden Zahlungen, an ein Inkassounternehmen auslagert. Beispiel Parksünder: Nicht mehr die Verwaltung schreibt sie an und treibt die Gelder ein, sondern ein beauftragtes Unternehmen. Diese Möglichkeit kann ich sehr empfehlen, denn Inkassounternehmen arbeiten effizienter. Eine zweite Möglichkeit stellen so genannte Factoring-Firmen dar. Sie sind spezialisiert darauf, Forderungen aufzukaufen. Für den Senat hätte das zum Vorteil, dass er sofort über Bargeld verfügen könnte. Die Factoring-Firma ist anschließend Eigentümer der Forderungen und treibt sie selbstständig ein. Von einem so genannten Interventionsinkasso rate ich ab. Nur unseriöse Unternehmen greifen auf harte Verfolgungs- und Eintreibemethoden zurück.“ Anne Vogt, Sprecherin des Unternehmens Schimmelpfeng Forderungsmanagement.

Der Kommunist

„In diesen Tatsachen, dass sogar eine Akkumulation von Schulden als Akkumulation von Kapital erscheinen kann, zeigt sich die Vollendung der Verdrehung, die im Kreditsystem stattfindet. Diese Schuldscheine, die für das ursprünglich geliehene und längst verausgabte Kapital ausgestellt sind, diese papiernen Duplikate von vernichtetem Kapital fungieren für ihre Besitzer so weit als Kapital, als sie verkaufbare Waren sind und daher in Kapital rückverwandelt werden können.“ Marx: Das Kapital

SUSANNE LANG, JÜRGEN SCHULZ