Gegen den heimlichen Ausverkauf

Neues Bündnis aus Globalisierungskritikern kämpft gegen das Dienstleistungsabkommen Gats. Derzeit verhandelt die WTO fast unbemerkt über die Liberalisierung der Serviceleistungen. Konzerne drängen auf die Märkte in den Entwicklungsländern

von KATHARINA KOUFEN

Erinnern Sie sich noch, wie vor zwanzig oder dreißig Jahren die Innenstädte aussahen? Da gab es Modeboutiquen, kleine Drogerien und den Schreibwarenladen, der mittags zwischen eins und drei geschlossen hatte. Heute sind die Innenstädte globalisiert: Keine Einkaufsstraße ohne H&M, Gap oder Mac Paper.

Nur wenige Menschen haben mitgekriegt, dass die Globalisierung der Innenstädte auch eine Folge des Gatt ist, des Handels- und Zollabkommens der Welthandelsorganisation (WTO). Und die Kritiker der Globalisierung fürchten, dass das nächste WTO-Abkommen, das Gats über den Handel mit Dienstleistungen, ähnlich schleichend seinen Weg nehmen wird. Attac, die Gewekschaftsjugend und andere Organisationen haben sich deshalb zu einem Gats-Aktionsbündnis zusammengetan. Sie veschicken Protestpostkarten an den Bundeskanzler und verteilen Info-Faltblätter. „Ich finde es entsetzlich, dass solche weitreichenden Entscheidungen ohne die Öffentlichkeit, ja sogar ohne die Fachleute diskutiert werden“, empört sich Ulrich Thöne, Landesvorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in Berlin.

Dabei führt das Gats (General Agreement on Trade in Services) zu einschneidenden Veränderungen. Dienstleistungen, die heute zum Teil noch in staatlicher Hand liegen, würden innerhalb der 144 WTO-Staaten ausgeschrieben – und könnten von privaten Unternehmen gekauft werden. Dazu gehören Telefonnetze, die Wasser- und Energieversorgung, Müllentsorgung, Verkehrsbetriebe, Tourismus, Nachrichtenagenturen sowie Post- und Kurierdienste. Dazu gehören auch Bildung und Gesundheit: Universitäten würden zunehmend privat betrieben, die Weiterbildung von Arbeitnehmern könnten künftig Institute aus dem Ausland übernehmen. Auch die Krankenkasse hätten weltweite Konkurrenz. Das sei ein massiver Eingriff in das Bildungswesen, warnt Studentenvertreter Ole Erdmann aus Bonn. „Private Unternehmen werden entscheiden, welche Studiengänge zugelassen werden und wer wo studieren darf.“

Bis Ende Juni hatten die EU-Länder Zeit, ihre Wünsche bei der WTO in Genf anzumelden. Welche Branchen in welchem Land könnten für deutsche Unternehmen von Interesse sein? Im Bundeswirtschaftsministerium, das für die WTO zuständig ist, gingen bis dato vor allem „Anfragen zum Finanz- und Telekommunikationsbereich ein“, sagte ein Sprecher der taz. Gefragt sind Attac zufolge auch Finanzdienstleistungen im WTO-Neumitgliedsland China. Dort bereiten sich die heimischen Banken, unterstützt vom deutschen Entwicklungsministerium, schon seit einiger Zeit auf die Liberalisierung des Finanzsektors vor.

Darüber hinaus hätten die hiesigen Unternehmer im Wirtschaftsministerium vor allem auf die Klärung technischer Details gedrängt: Wie viele eigene Mitarbeiter bei Auslandsübernahmen mitgebracht werden dürfen. Ob die Zahl der Firmen, die sich pro Branche niederlassen wollen, beschränkt ist. Ob ausländische Staatsunternehmen zu hundert Prozent gekauft werden können oder nur in Anteilen als Joint Venture. Das alles soll im Gats geregelt werden.

Einen besonders tiefen Einschnitt bedeutet das Abkommen für die Entwicklungsländer. Dort funktionieren viele Dienstleistungen noch gar nicht. Ganze Regionen haben weder Telefonanschluss noch sauberes Wasser. Vor allem Firmen aus Deutschland und Frankreich lecken sich schon die Finger nach so vielen neuen Märkten. „Bei uns ist schon viel liberalisiert, deshalb geht es uns vor allem um die Öffnung neuer Märkte“, heißt es aus dem Wirtschaftsministeriums. Und das Handelsblatt zitiert den Chef des Stromversorgers RWE: „Wasser ist die Versorgungssparte mit den attraktivsten Wachstumsperspektiven.“

Die argentinische Zeitung Clarín beschwert sich bereits über „die Masse an Bedingungen, die die mächtigen Länder uns auferlegen“. So fordere die EU vom Finanzminister, die Zinsgewinnsteuer für ausländische Anleihen abzuschaffen. „Dass die Behandlung des Auslandskapitals irgendetwas mit dem Handel von Dienstleistungen zu tun hat, ist an den Haaren herbeigezogen“, so der Clarín. „Aber so pflegt der Norden uns Länder des Südens zu behandeln.“