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Text in Melodie gepresst

Plakatwerbung völlig überflüssig: Liedermacher Funny van Dannen, der seine neue CD „Grooveman“ präsentiert, bekommt das Schauspielhaus auch ohne offizielle Publicity voll

Keine Zeit zum Malen und eigentlich auch keine Lust auf Konzerte

von DIRK SEIFERT

In seinen Songs erweckt er an sich tote Gegenstände zum Leben oder stellt auf wunderbare Weise Dinge gegen- oder zueinander, die in der normalen Welt kaum zueinander gehören – oder doch?

„Man kann nicht wirklich poetisch sein, mit einem Kuli von der CDU“ ist so ein Satz, den Funny van Dannen, der jetzt im Schauspielhaus auftritt, auf seiner inzwischen sechsten CD von sich gibt. Musikalisch sind seine Lieder auf wenige Akkorde reduziert, vorgetragen auf einer schrammeligen akustischen Gitarre. Und auch sein Gesang ist nicht wirklich bemerkenswert. Prägend ist eine naive, oft melancholische und doch zuversichtliche Grundhaltung. Zu lange Textzeilen werden einfach in die Melodie gepresst, und wo es textlich nicht ganz reicht, wird das gesanglich etwas gestreckt.

Eigentlich also schrecklich, das Ganze. Doch seine Melodien sind derart hartnäckig, dass sie gern tagelang in den Gehörgängen nachhallen, und textlich verknüpft van Dannen derart ungewöhnliche Dinge miteinander, dass sie einem bei allen möglichen und unmöglichen Situationen wieder einfallen. Kein Wunder, dass er häufig als Meister des Trivialen bezeichnet wird.

Auch auf seiner neuen CD Grooveman, die er jetzt im Schauspielhaus präsentiert, macht sich van Dannen über die wirklich interessanten Probleme des Alltags seine Gedanken, stellt überraschende Fragen und sucht nach Antworten. Permanenten Sex, wie ihn die Bonobo-Affen als Konfliktlösungsstrategie einsetzen, lehnt van Dannen strickt ab. Ihm ist es „zu langweilig, immer nur rumzuficken“.

Unnachahmlich auch sein Beitrag zum 11. September: Van Dannen interessiert sich nicht so sehr für die Folgen. Denn er hat festgestellt, dass er auch schon vorher „oft ein Scheißgefühl“ hatte und erinnert an die KubaKrise, die Pubertät, die Atomkraftwerke und den Tod der Oma. Verzweifelt bekennt er: „Ich will den Kapitalismus lieben, weil so viel für ihn spricht, ... aber ich schaffe es einfach nicht. ... Das liegt an dieser Schwäche für die Schwachen ... ich will ihn lieben, er liebt mich ja auch ... Ich habe ihn scharf kritisiert, aber er hat so ein großes Herz, er hat mich integriert ... und das wird so weitergehen, bis einer von uns zerbricht.“ Und zum Ausgleich für Menschen, die immer nett sind, empfiehlt er: „Menschenverachtende Untergrundmusik“.

Immerhin 20 solcher Songs sind auf dem live eingespielten Album zu hören. Seine Biografie: Van Dannen ist Sohn einer holländischen Mutter, heißt mit richtigem Namen Franz-Josef Hagmanns, ist katholisch erzogen. 1978 ging er nach Berlin, war Gründungsmitglied der Lassie Singers, hat vier Kinder, malt, schreibt Bücher und macht Lieder. Beinahe wäre er sogar Fußball-Profi geworden, aber das scheiterte an der Ablösesumme. Fürs Malen findet er schon seit Jahren keine Zeit. Als die Lassies berühmt wurden und auf Tour gingen, stieg er aus. Wegen der damals schon drei Kinder und aus Rücksicht auf seine Frau. Sein letztes Buch ist auch schon fünf Jahre alt, und eigentlich hat er auch keine Lust auf Konzerte. Das klingt fast so absurd wie seine Texte. Von seinen HörerInnen sagt van Dannen, dass sie „eine spezielle Sorte Mensch“ seien und konkretisiert: „Es ist schon so, dass das eher romantische Leute sind.“

Dazu zählen offenbar auch die Toten Hosen. Auf deren aktuellem Album Auswärtsspiel befinden sich gleich mehrere Songs („Kanzler“ und „Kein Alkohol (ist auch keine Lösung)“) von Funny van Dannen. Damit nicht genug, veröffentlichten die Toten Hosen gerade ihre neue Maxi-CD Frauen dieser Welt. Den Song hat van Dannen nicht nur geschrieben, sondern auch auf seiner Grooveman-CD selbst veröffentlicht.

Am Erfolg einer Tote Hosen-Single muss man nicht zweifeln, aber der direkte Vergleich fällt eindeutig zugunsten des Urhebers aus. Campino und Freunde sind offenbar derart angetan, dass sie noch zwei weitere Titel von Funny auf die Maxi packten: „Junge Menschen, Alte Menschen“, eine erweiterte Fassung des alten Songs, und „Trauriges Arschloch“, letzteres von Funny zusammen mit den Toten Hosen gesungen und gespielt. Bis auf wenige Restkarten ist das Konzert heute Abend im Schauspielhaus – wie fast alle Stationen seiner laufenden Tour – ausverkauft. Werbung mit Flyern oder Plakaten war überflüssig.

Donnerstag, 7. November, Schauspielhaus (Restkarten für 16 Euro), www.funny-van-dannen.de

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