Die Null, die ein Minus ist

Hamburger Krankenhäuser kritisieren geplante Nullrunde: Bis zu 800 Stellen sind in Gefahr. Am ehesten wird außerdem an Hochleistungsmedizin gespart – Wartelisten für Transplantationen noch länger. Forderung: Endlich Schluss mit dem Deckeln

von SANDRA WILSDORF

Die Akteure des Gesundheitswesens kämpfen zurzeit ausnahmsweise einmal gemeinsam. Der Feind: die rot-grüne Bundesregierung. Ärztekammer, Gewerkschaft ver.di und Hamburgische Krankenhausgesellschaft (HKG) lehnten gestern bei einer außerordentlichen Mitgliederversammlung der HKG selten einmütig die von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) geplante Nullrunde ab. Wenn die kommt, so hat die HKG ausgerechnet, sind 600 bis 800 Arbeitsplätze in Hamburger Krankenhäusern gefährdet, zwei bis drei Krankenhäuser stünden vor der Insolvenz.

Das Problem: Die Nullrunde ist in Wirklichkeit eine Minusrunde. Denn Energie- und Sachkosten steigen, und ver.di hat angekündigt, sich mit einem Abschluss unter drei Prozent auf keinen Fall zufrieden zu geben. „Das ist schon deshalb gerechtfertigt, weil die Abschlüsse der anderen Branchen im ersten Halbjahr alle über drei Prozent lagen, und die zahlen ja auch drei Prozent mehr Krankenversicherung“, erklärt Hamburgs ver.di-Chef Wolfgang Rose.

Nun bereiten sich aber gerade die Hamburger Krankenhäuser seit Jahren auf das neue Abrechnungssystem vor, das nicht länger Liegetage, sondern erbrachte Leistungen bezahlen wird. 21 der 38 Hamburger Häuser – in denen 75 Prozent der Leistungen erbracht werden – wollen schon ab 2003 mit dem neuen System abrechnen. Um sich darauf einzustellen, haben sie Wirtschaftlichkeitsreserven weitgehend ausgeschöpft. Allein der Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK) hat in den vergangenen Jahren über 3000 Stellen abgebaut. „Deshalb ist die Luft in Hamburg dünner“, sagt Fokko ter Haseborg, zweiter Vorsitzender der HKG.

Behrend Behrends, kaufmännischer Direktor des UKE, macht die Folgen der Nullrunde für sein Krankenhaus deutlich: „Wir werden 100 Arbeitsplätze abbauen müssen.“ Und mit weniger Mitarbeitern wird weniger gearbeitet: „Wir werden also Leistungen reduzieren müssen.“ Und zwar zuerst die besonders teuren. Behrends kündigt an: „Das wird die Transplantations- und die neurochirurgische Intensivmedizin sein.“ Ärzte werden sich noch häufiger fragen müssen, welche Patienten sie von der Warteliste nehmen und wen sie noch warten lassen. Und: Der Hamburger Steuerzahler hat beide Bereiche in den vergangenen Jahren mit 60 Millionen Mark ausgebaut, denn Krankenhausinvestitionen zahlt noch immer die Stadt. Karl-Heinz Vorwig, Geschäftsführer vom Elim-Krankenhaus in Eimsbüttel, sagt: „Bei uns geht das direkt an die Substanz.“

Der HKG-Vorsitzende Heinz Lohmann kritisiert, dass die Budgets, wie sie zurzeit noch allen Krankenhäusern zugewiesen werden, Patienten und Krankenkassen schaden. „Denn die besonders gut arbeitenden Krankenhäuser, deren Medizin nachgefragt wird, die müssen Patienten abwehren.“ Die Folge: Mehr Patienten als nötig gehen in teure und schlechtere Häuser.

Deshalb rufen Ärztekammer und HKG zur Demonstration am 12. November in Berlin auf.