Suche Spitzel, nicht Heinzelmann

Verfassungsschützer versuchen über studentische Stellenvermittlung V-Leute unter linken Globalisierungskritikern anzuwerben. Republikanischer Anwaltsverein: Skandalös, wie die soziale Not junger Menschen ausgenutzt wird

von HEIKE KLEFFNER

Die Stellenanzeige klingt verlockend: „Team Base Research sucht für den Standort Berlin, zum nächstmöglichen Zeitpunkt, Studenten/innen zur Mitarbeit an Forschungsprojekten im gesellschaftlichen Bereich“, heißt es auf der Website der studentischen Arbeitsvermittlung „Alma Mater“. Bewerber sollten Studienanfänger und nicht älter als 25 Jahre alt sein. Gefordert wird von ihnen „Interesse an gesellschaftspolitischen Zusammenhängen“.

Über die Arbeitsfelder der Firma heißt es vage, man sei „ein bundesweit tätiger Outsourcing-Partner für Firmen, Behörden und Forschungseinrichtungen“ mit langjähriger Erfahrung, beispielsweise „bei Zielgruppenanalysen und empirischer Sozialforschung“. Das klingt seriös, zumal eine Bewerbung per E-Mail beantwortet wird mit einer Einladung für ein Vorstellungsgespräch in Büroräumen im Kulturkaufhaus Dussmann mitten in Berlins seriösester Geschäftsmeile.

Die zumeist Anfang 20-jährigen Bewerber können nicht wissen, dass das Firmenschild am Eingang, die Empfangsdame, die Computer und der Konferenzraum, in dem sie sich vorstellen, nur tageweise gemietet sind. „Sofort-Büros“ nennt sich das. Nach der Firma „Team Base Research“ befragt, heißt es in der Pressestelle des Kulturkaufhauses Dussmann, ein Herr Peter Ulmer miete als Geschäftsführer der Firma in unregelmäßigen Abständen Büroräume bei Dussmann. Einen Kontakt zu Herrn Ulmer könne man leider nicht vermitteln. Allenfalls könne ein Fax an ihn weitergeleitet werden. Fragt man beim Gewerbeamt des zuständigen Berliner Bezirks Mitte nach der Firma und ihrem Geschäftsführer, heißt es schlicht: „Die sind hier unbekannt.“ Die gleiche Antwort gibt es auch auf Nachfragen bei der Telefonauskunft.

Wenig verwunderlich, denn kaum hat der Bewerber das erste Bewerbungsgespräch bei dem Herrn, der sich Ulmer und „Soziologe und Buchautor“ nennt, zu dessen Zufriedenheit absolviert, werden die überraschten Bewerber weitergereicht. An Herren, die sich als Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz vorstellen. Die umreißen das schwammige Arbeitsfeld „Zielgruppenanalyse“ um einiges deutlicher: Wer sich für den Job entscheide, solle regelmäßig Bericht erstatten von Veranstaltungen aus der linken Szene, vor allem solchen, die von globalisierungskritischen Gruppen organisiert werden. Dann folgen Verhaltenstipps: Schriftliche Notizen seien tabu, besonders interessant für den V-Mann-Führer seien Beschreibungen von Personen und Örtlichkeiten. 10 Euro Stundenlohn, selbstverständlich steuerfrei und bei flexiblen Arbeitszeiten, winken den Bewerbern für die Spitzeldienste.

Volker Ratzmann, als Grünen-Abgeordneter Mitglied im „Ausschuss für Verfassungsschutz“, ist ob der ungewöhnlichen V-Mann-Suche des Geheimdienstes entsetzt. „Das Vorgehen ist nicht nur unprofessionell, sondern auch unfair. Hier werden junge Menschen unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in die Fänge der Geheimdienste gelockt.“ Wolfgang Kaleck, Bundesvorsitzender des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV), hält es für „skandalös, wenn die soziale Not junger und unerfahrener Leute auf diese Weise ausgenutzt wird“. Beim Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln will man zu Sachverhalten, „die als operativ dargestellt werden“, keinen Kommentar abgeben.

Anita K. (Name geändert) und die lokale Initiative „Antifaschistische Gruppe im Prenzlauer Berg“ (AGiP) haben ihre eigenen Erfahrungen mit studentischen Mitarbeitern des Verfassungsschutzes gemacht. Ein knappes Jahr wurden detaillierte Informationen aus den offenen wöchentlichen Treffen der Gruppe, die sich seit Jahren gegen die zunehmene Präsenz von Rechtsextremisten in Berlin engagiert, an den Verfassungsschutz weitergeleitet. Die Informatin: eine 19-Jährige, die per Zeitungsinserat einen Nebenjob gesucht hatte, um ihren Schauspielunterricht zu finanzieren. Und daraufhin von einem V-Mann-Führer des Verfassungsschutzes kontaktiert wurde, der sie gezielt auf ihren Einsatz bei der AGiP vorbereitete und pro Monat 500 Mark für ihre Berichte zahlte. Pech für den Verfassungsschutz, dass die Informantin öffentlich damit prahlte, sie würde für ihr Engagement in einer ehrenamtlichen Initiative einen guten Stundenlohn erhalten. Anita K. sagt, sie habe nach den Offenbarungen der jungen Frau vor allem eins schockiert. „Dass der Verfassungsschutz von der Informantin in erster Linie persönliche und intime Details über die Gruppenmitglieder erfahren wollte.“ Bis heute wissen Anita K. und ihre AGiP-Mitstreiter nicht, wie sie eine Löschung dieser Daten erzwingen können. Da sei es auch kein Trost, dass die AGiP in keinem einzigen Verfassungsschutzbericht erwähnt ist.