Mullahs ante portas

Weil Pakistens Wahlen keine klaren Mehrheiten ergaben, könnten die Islamisten per Koalition Macht bekommen

DELHI taz ■ Einen Monat nach der Parlamentswahl hat Pakistan noch immer keine Regierung. Militärmachthaber Pervez Musharraf hat zum Freitag die Einberufung des neuen Parlaments verfügt. Noch immer rechneten sich drei Parteien Chancen aus, den Premier zu stellen. Doch weder die Volkspartei PPP noch die MMA, eine Koalition islamischer Parteien, oder eine Faktion der Muslim Liga (PML-Q) verfügt über eine Mehrheit.

Das Regime nutzte die Zeit, mit Dekreten den Übertritt von Freiwilligen und Kleinparteien in die von ihm favorisierte PML(Q) zu erleichertern. Doch der Partei fehlen immer noch 50 Sitze im 340-köpfigen Parlament, weshalb sich eine Koalition mit den Islamisten oder der PPP von Benazir Bhutto anböte.

Koalitionen verfeindeter Parteien sind in Pakistan nicht ungewöhnlich, doch jetzt scheinen die Hürden zu hoch. Die MMA, mit einer Verzehnfachung ihrer Sitze die Überraschungssiegerin der Wahl, verfolgt eine Außenpolitik, die der Musharrafs diametral entgegensteht. Sie verdankt ihre Gewinne einem scharfen antiamerikanischen Wahlkampf, weshalb ihre Führer nun nicht einfach auf Musharrafs Linie schwenken können.

Fazlur Rahman, der Präsident der „Jamiat Ulema Islami“ (JUI) und ein Kandidat für das Amt des Premiers, warf Musharraf vor, Erfüllungsgehilfe der USA zu sein. Eine Außenpolitik im Interesse der Nation brauche keine fremden Truppen im Land. Die MMA sei ebenfalls gegen den Terrorismus, aber Rahman bezweifelte, ob in Pakistan untergeschlüpfte Taliban oder Ussama Bin Laden zu dieser Kategorie gehörten. Rahmans JUI gilt als Geburtshelferin der Taliban.

Die MMA verbindet mit Bhuttos PPP die Ablehnung der von Musharraf vorgenommenen Verfassungsänderungen, mit dem er die Macht der Militärs verankern will. MMA und PPP, die auf einer Bestätigung der Verfassungsänderungen durch das Parlament bestehen, wären daher nahe liegende Koalitionspartner. Sie haben auch zuletzt so intensiv über ein Zusammengehen verhandelt, dass die PML(Q) Musharraf bat, die Zusammenkunft des Parlaments wieder zu verschieben, um ihr einen weiteren Versuch der Koalitionsbildung zu gestatten.

Eine Koalition der Islamisten mit der PPP hätte nur eine knappe Mehrheit, während die Haltungen der Partner zur Rolle des Islam diametral entgegengesetzt sind. Die PPP versteht sich als „säkularistische“, sozial progressive Partei, während die MMA in der Sozial- und Frauenpolitik extrem konservative Ziele verfolgt.

In Fragen wie Demokratie, Kaschmir, Außenpolitik und Wirtschaft hat sich die MMA dagegen bisher konziliant gezeigt, um als mögliche Koalitionspartnerin im Spiel zu bleiben. In der Frage der islamischen Durchdringung von Staat und Gesellschaft ist sie aber kompromisslos und will die Scharia zum einzigen Grundgesetz des Landes machen. Besonders Frauen fürchten eine „Machtergreifung“ der Mullahs. Zwar werden sie mit einer Frauenquote von 60 Sitzen im Parlament erstmals eine bedeutende Rolle spielen. Aber viele der Parlamentarierinnen sind Verwandte von Politikern und dürften sich kaum profilieren. BERNARD IMHASLY