Immer mehr „Flexwerkers“ in Holland

Das niederländische Jobwunder wurde mit Tariflöhnen für Zeitarbeit geschaffen – die allerdings sind nicht hoch

BERLIN taz ■ Wenn Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt meint, tariflich bezahlte Leiharbeit würde eher Arbeitsplätze vernichten, so muss er sich durch die holländische Praxis korrigieren lassen. Das dortige, bisher erfolgreiche „Poldermodell“ beruht nämlich zu einem nicht unwichtigen Teil auf dem Einsatz von „Flexwerkers“ – zu Tariflöhnen. Und deren Zahl nimmt, weil sich der Himmel über Hollands „Jobwunder“ inzwischen rezessionsbedingt verdunkelt hat, sogar weiter zu.

Für sie gilt entweder der Tarifvertrag des Gewerbes, zu dem das Unternehmen gehört, oder die „kollektive Arbeitsvereinbarung“ (CAO) der Leiharbeitsbranche. „Letztere ist den meisten Arbeitgebern am liebsten, denn da liegen die Abschlüsse, etwa was Weihnachtsgeld, Fahrtkostenerstattung oder Weiterzahlung im Krankheitsfall angeht, unter denen der eigenen Sparte“, so erklärt Fons van Leeuwen, Pressesprecher des niederländischen Gewerkschaftsdachverbands FNV. Der Grund für den weniger üppigen Tarifvertrag: Auch die Leiharbeitsfirmen müssten auf dem Markt bestehen.

Die Arbeitgeber möchten die Gleichbehandlung von Festangestellten und Leiharbeitern abschaffen, sehen aber auch die Vorteile des Modells. „Arbeitgeber können je nach Auftragslage Beschäftigte anheuern oder entlassen, über den zeitlichen Einsatz ihrer Mitarbeiter mitbestimmen und durch den Wegfall von Sonntags- und Nachtzuschlägen Kosten sparen“, sagt René Blijlevens vom Arbeitgeberverband VNO-NCW.

Die Zunahme der Teilzeit- und Leiharbeit in Holland war das Ergebnis einer beispiellosen Flexibilisierung der Arbeitswelt, die Staat, Industrie und Gewerkschaften in einer konzertierten Aktion schon Ende der Achtzigerjahre angeschoben hatten. Maßnahmen wie Lohnmäßigung, Förderung von Teilzeitarbeit und Frühverrentung, Privatisierung der Arbeitsvermittlung, die Zunahme zeitlich befristeter Arbeitsverträge und die Schaffung eines günstigen Investitionsklimas haben in den Neunzigerjahren die Position niederländischer Unternehmen auf dem Weltmarkt verbessert und die Nachfrage nach Arbeitskräften steigen lassen. Die offizielle Arbeitslosenquote lag im letzten Jahr bei 2,3 Prozent, wenn auch die Statistik durch die hohe Zahl von Berufsunfähigen und Frührentnern geschönt war.

Der Großteil der zu Boomzeiten eingestellten Arbeitnehmer arbeitet heute in schlecht bezahlten „Flexjobs“. Sie können leichter entlassen werden, wenn die Auftragslage dies erfordert. Hollands Gewerkschaften geben sich da durchaus einsichtig, flexibel eben. FNV-Sprecher Van Leeuwen: „Wir sind der Meinung, dass zur Stabilisierung der sozialen Marktwirtschaft nicht nur die Arbeitgeberseite die Kosten zu tragen hat.“ HENK RAIJER