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Poröse Versprechen

Literatour Nord: Steffen Kopetzky liest am Sonntag aus seinem Schlafwagenschaffner-Roman „Grand Tour“

An schriftstellerischem Selbstbewusstsein scheint‘s Herrn Kopetzky, Jahrgang 1971, nicht eben zu mangeln. Vor fünf Jahren verpackte er die “Grundprobleme Europas am Ende des 20. Jahrhunderts“ in einen handlichen Roman. „Ziel dieses Textes“, heißt es dort, „ist die Teilnahme seiner Leser am Glück des Versprechens, das gebrochen wird.“ Ein ähnlich poröses Versprechen geht von der „Nacht der großen Complication“ aus.

Dass Kopetzky damit „sein mit Spannung erwartetes literarisches Hauptwerk“ vorlegt, behauptet – Kopetzky selbst. Auf einer Website (www.grand-tour-roman.de), die das knapp achthundert Seiten starke Eisenbahn-Kompendium medial flankiert mit treffenden Sätzen: „Der Autor, das Buch und die Uhr springen vor der fahrenden Landschaft herum“.

Eisenbahn? Der Autor ist, bevor er die branchenübliche Uniform in einen (kaum weniger branchenüblichen) eleganten Zweireiher eintauschte, Schlafwagenschaffner gewesen. Einen solchen lässt Kopetzky nun auf Europas Schienenstränge los. Und auf die aufgeräumten oder auch mal übernächtigten Tragikomiker, die die Abteile bevölkern. Sie rauben einem Schlaf, Geduld und Geld. Sie berichten, schweigend oder redselig, aus ihren Leben. Und sie haben, irgendwie, alle miteinander zu tun. Jedenfalls in dieser bizarren Parallelwelt.

Ob Kopetzkys kalkulierte Maßlosigkeit erfrischend unverschämt ist oder einem schlicht auf die Nerven geht, sei dahin gestellt. Die „Grand Tour“ ist ein faszinierender Roman. Weil einem beim Lesen schwindelig wird vor lauter Anspielungen, Erzählsträngen und Skurrilitäten.

Tim Schomacker

Steffen Kopetzky liest im Rahmen der Reihe „Literatour Nord“ am Sonntag, 10.11., um 11 Uhr im Oldenburger Horst-Janssen-Museum und um 20 Uhr im Bremer Ambiente

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