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Protest von der Schiene auf die Straße

Vor dem Castor-Transport: Gegner konzentrieren sich auf Gorleben. Polizei will noch effektiver beim Abräumen sein

HANNOVER taz ■ Der Widerstand gegen den diesjährigen Castor-Transport ins Wendland wird sich auf das „Kerngebiet“ des Widerstands konzentrieren: Die Auftaktveranstaltung wird in Gorleben stattfinden, die Blockaden sollen auf der Straße und nicht mehr auf der Schiene stattfinden. Das hat drei Tage vor dem Start des bislang größten Castor-Transportes in das Zwischenlager Gorleben die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg angekündigt.

Die Initiative mit über 1.000 Mitgliedern ist überzeugt, dass „dem Widerstand keinesfalls die Puste ausgeht“, versicherte gestern BI-Vorstandsmitglied Wolfgang Ehmke. Zwar werde man beim anstehenden Transport keinen Demonstrantenrekord aufstellen. „Aus der Drangsaliererei durch die Polizei, die beim letzten Gorleben-Transport im Herbst 2001 ein geschlossenes Bild des Protestes verhinderte, haben wir jedoch Konsequenzen gezogen“, sagt Ehmke.

Denn vor einem Jahr erreichte der Transport das Gorlebener Zwischenlager weitgehend unbehindert. Die wendländischen AKW-Gegner hatten trotz ihrer 25-jährigen Erfahrung im gewaltfreien Widerstand ihr Recht auf Protest nicht gegen das auch jetzt wieder geltende Demonstrationsverbot erkämpfen können. Die Protestumzüge mit Traktoren endeten weitab vom Geschehen und wurden kaum öffentlich wahrgenommen.

Nach den Worten von Ehmke will sich der Widerstand deswegen diesmal „auf sein eigenes Kerngebiet zurückbesinnen“. Deshalb wurde Gorleben und nicht das für die auswärtigen AKW-Gegner besser erreichbare Lüneburg für die Auftaktdemonstration ausgewählt. Die Demonstration endet am Gorlebener Endlagerbergwerk und soll Ehmke zufolge „die ungelöste Entsorgungsfrage in den Mittelpunkt der Sachauseinandersetzung rücken“. Weltweit gebe es bislang keine Endlager für hochradioaktiven Müll. Zwar zementiere jeder weitere Transport nach Gorleben den Ort als möglichen Standort eines Endlagers. Aber die Entscheidung darüber sei noch offen. „Nur da können wir etwas bewegen“, betont Ehmke. Bei der inzwischen erlaubten Kundgebung am Endlagerbergwerk solle ein Gesamtbild des Widerstandes entstehen, zu dem natürlich auch die Bauern von der Notgemeinschaft mit ihren Traktoren beitragen wollen.

Der Widerstand im Wendland wird bei dem bevorstehenden Transport, der am Montagabend in La Hague starten soll, auch von der gewaltfreien Aktion „X-tausendmal quer“ mitgetragen. Nicht mehr auf den Bahngleisen bei Lüneburg wollen die gewaltfreien Aktivisten sitzen. Nach Angaben ihres Sprechers Sören Janssen werden sie sich an einem bislang geheimen Ort auf der Straße zwischen Dannenberg und Gorleben niederlassen.

Die Polizei hat diesmal insgesamt 30 angemeldete Protestveranstaltungen registriert. Nach Angaben von Gesamteinsatzleiter Hans Reime ist auch der am Montag geplante Umzug, der unter dem Motto „De Zoch kütt“ Karneval und Castor-Protest vereinigen soll, keineswegs verboten und kann auf einer geänderten Route stattfinden. Reime, der im vergangenen Jahr noch 15.000 Polizisten einsetzte, hat sich diesmal viel vorgenommen. Er will den doppelt so großen Transport in kürzerer Zeit mit „wesentlich weniger“ Beamten ins Zwischenlager bringen. In der Vergangenheit waren allerdings die wendländischen AKW-Gegner oft genug für eine Überraschung gut. JÜRGEN VOGES

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