Ein Steuersatz für alle

Nach dem Steuerpapst Paul Kirchhof legt nun auch der Heidelberger Kreis ein Einfachsteuerkonzept vor: persönlicher Tarif von 25 Prozent, egal ob arm oder reich

BERLIN taz ■ Das deutsche Steuersystem ist kompliziert. Seit seinem Amtsantritt arbeitet zum Beispiel der Bundesfinanzminister zum elften Mal an einem Gesetz zum „Abbau von Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen“. Der Finanzwissenschaftler Manfred Rose ist sich sogar sicher: Die Steuer ist viel zu kompliziert. Daher legte Rose gestern in Berlin einen „Entwurf für ein Einfachsteuergesetz 2015“ vor. „Es muss Schluss sein mit der Flickschusterei der Bundesregierung“, sagte Rose.

Manfred Rose steht einem „Heidelberger Steuerkreis“ vor, der einen radikalen Gegenentwurf zum Steuersystem propagiert. Jede Vorschrift soll „einfach, klar und möglichst nicht zu umgehen“ sein. Alle Einkommensarten werden gleich behandelt. Und für alle Steuerpflichtigen gibt es einen einheitlichen Tarif von „etwa 25 Prozent“.

Roses Steuerkreis kennt nur noch eine persönliche Einkommensteuer für nichtselbstständige und selbstständige Arbeit sowie eine Gewinnsteuer für große Publikumsgesellschaften wie börsennotierte AGs. An Freibeträgen wird danach, ähnlich wie bei der Einfachsteuer des ehemaligen Verfassungsrichters Paul Kirchhof, nur ein Grundfreibetrag in Höhe von 10.000 Euro für jede Person gewährt, für die der Steuerzahler unterhaltsverpflichtet ist. Abzugsfähig sind nur noch die Sozialversicherungsbeiträge, Ausgaben für die Kranken- und Pflegevorsorge, Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie Steuerberaterkosten. So genannte außergewöhnliche Belastungen, die derzeit steuermindernd wirken können, werden komplett in die Sozialpolitik verlagert. Der Kinderfreibetrag entfällt zugunsten eines Kindergeldes, das bei allein Erziehenden stärker an die soziale Situation angepasst werden soll.

Gewinne der Kapitalgesellschaften werden dem Modell zufolge nur einmal und direkt an der Quelle belastet. Dabei soll eine Grundrendite, die der allgemeinen Zinsentwicklung entspricht, steuerfrei bleiben. Rose: „Wenn ein Unternehmen noch nicht so viel verdient, dass auch die Kosten des Einsatzes von Eigenkapital gedeckt sind, hält sich der Staat zurück.“

Hickel: Einfachsteuerist sozial ungerecht

Kapitalerträge werden grundsätzlich nicht besteuert. Explizit wenden sich die Professoren daher gegen die von der Regierung geplante umfassendere Besteuerung von Gewinnen aus Aktienverkäufen. Kursgewinne, so die Begründung, resultierten letztlich aus „der Investition bereits versteuerter Gewinne des Unternehmens“. Damit erleichtere das System „nicht nur Bürgern und Unternehmen die Erfüllung ihrer Steuerpflichten bei deutlich reduziertem Lastniveau“. Sie sei auch „investitionsfreundlich und diskriminierungsfrei“.

Roses Zunft der Steuerexperten reagierte wenig enthusiastisch auf die Einfachsteuer. Der Bremer alternative Finanzwissenschaftler Rudolf Hickel etwa meinte: „Je einfacher ein Steuergesetz, desto sozial ungerechter ist es.“ Die Heidelberger Steuervereinfachung sei „faszinierend – allerdings nur oberflächlich“. Denn das Modell sei nicht realisierbar. Und es sei auch gar nicht empfehlenswert, da es sich vom Prinzip der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit verabschiede. Es begünstige die Spitzenverdiener. Diese könnten sich nach dem derzeitigen Spitzensteuersatz von noch 48,5 Prozent über den einheitlichen Tarif von 25 Prozent freuen. Obendrein fiele noch die Besteuerung von Vermögenszuwächsen über Dividenden- oder Aktiengewinne weg. Roses Begründung sei nicht nachvollziehbar. Dass nämlich „Mehrfachbelastungen“ der Erträge vermieden werden müssten. Unternehmenssektor und privater Haushalt müssten getrennt betrachtet werden.

Stattdessen lobte Hickel ausnahmsweise Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD). Es sei richtig, dass der die bestehenden Steuervergünstigungen im Rahmen des Gesetzentwurfes, der am 20. November ins Kabinett kommt, noch einmal auf ihre soziale und gesamtwirtschaftliche Relevanz prüfen und die Spekulationssteuer ausweiten will.

BEATE WILLMS

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