Verteufelte Lage

Beim 1. FC Kaiserslautern geht nach dem 0:1 gegen Hannover 96 die Angst vorm Sturz ins Bodenlose um

KAISERSLAUTERN taz ■ Als in der zweiten Halbzeit dunkle Wolken über den Betzenberg zogen, war dies nur die symbolische Bestätigung dafür, dass die Krise des 1. FC Kaiserslautern noch lange nicht vorüber ist. Keine einzige Torchance hatten sich die Lauterer bis zu diesem Zeitpunkt erarbeitet, aufgrund ihrer ruppigen Spielweise aber immerhin gleich vier gelbe Karten kassiert. Außerdem konnten sie von Glück sagen, dass einzig und allein Fredi Bobic in der 40. Minute nach genialem Zuspiel von Jaime Sanchez für die Gäste aus Hannover getroffen hatte. Für deren Trainer Ralf Rangnick war dies „ein selten schönes Tor, fast ein bisschen unheimlich. Aber für uns unheimlich schön.“ Womit er freilich nicht nur den Treffer, sondern das ganze Spiel seiner Mannschaft zutreffend beschrieb. Denn während die Lauterer sich selbst im Weg standen, spielten die Hannoveraner einen ansehnlichen Kombinationsfußball, in dem lediglich die Chancenauswertung zu Wünschen übrig ließ. „Wir sind sorglos mit unseren Chancen umgegangen“, kritisierte Rangnick denn auch den allzu ausgeprägten Spieltrieb seiner Ballkünstler Krupnikovic und de Guzman.

Aber auch so wäre alles andere als ein Sieg der Gäste lächerlich gewesen, schon deshalb, weil der Tabellenvorletzte aus der Pfalz auf dem einst gefürchteten Betzenberg nicht den Hauch einer Idee hatte, wie man Hannover schlagen könnte. Weder die frühzeitige Umstellung mit der Hereinnahme von Thomas Riedl, noch die Einwechslungen von Michael Mifsud sowie Vratislav Lokvenc kurz vor und nach der Pause änderten etwas an der Misere. „Wenn man so spielt, ist der Sieg des Gegners verdient“, fand Lauterns Mario Basler und startete damit einen Angriff gegen den eigenen Sturm. „Unsere Stürmer beklagen sich immer, dass sie keine Bälle bekommen. Heute haben sie genug Bälle bekommen, aber nichts draus gemacht.“

Denn zumindest nach der Pause bemühte sich der FCK, wenn auch mit der Brechstange, um den Ausgleich. Doch was in früheren Jahren Stürmern wie Stefan Kuntz, Bruno Labbadia, Pavel Kuka oder Olaf Marschall immer wieder gelungen war, blieb dem biederen Miroslav Klose sowie dem ungestümen Mifsud gegen Hannover verwehrt. Und mit jeder vergebenen Chance schwanden die Hoffnungen der Spieler in Rot und auch die ihrer immer spärlicher auf den höchsten Pfälzer Berg pilgernden Fans. Vor allem in der Schlussviertelstunde, in der die Lauterer noch vor drei, vier Jahren das Gästetor ohne Unterbrechung berannt hatten, wirkten die Roten Teufel diesmal wie gelähmt und ergaben sich ideenlos in ihr Schicksal.

Georg Koch fehlten hinterher fast die Worte. „Es ist nicht zu erklären, warum wir so gespielt haben. Es gab keinen Grund dazu“, stellte der fehlerfrei haltende FCK-Keeper mit sorgenvoller Stimme fest. Wahrscheinlich ist er einer der wenigen Spieler, die sich Gedanken um ihren Arbeitsplatz machen und genau wissen, was auf den 1. FCK im Falle eines erneuten Abstiegs aus der Bundesliga zukäme: Nicht nur, dass der WM-Standort Kaiserslautern in Frage stünde, weil der Verein seinen finanziellen Anteil am Ausbau des Stadions aus den spärlichen Fernsehgeldern der 2. Liga schon gleich gar nicht mehr bezahlen könnte. Schlimmer noch: Ein Absturz in die Regional- oder gar die Oberliga könnte drohen, dann nämlich, wenn dem Verein aus wirtschaftlichen Gründen die Lizenz verweigert würde. Am Allerschlimmsten: Ein Abstieg des FCK bei gleichzeitigem Aufstieg von Mainz 05 oder Eintracht Trier käme einer revolutionsartigen Wachablösung in Rheinland-Pfalz gleich.

Die Gedanken des designierten Vorstandsvorsitzenden René C. Jäggi müssen exakt um diese Horrorszenarien kreisen, seine Miene jedenfalls wirkte äußerst nachdenklich angesichts der Diskrepanz zwischen seinen permanenten Rettungsbemühungen und dem sportlichen Output. Der von ihm engagierte Trainer Erik Gerets scheint bereits nach zwei Monaten zu resignieren. „Was wir in den letzten Wochen aufgebaut haben, haben wir heute wieder weggeschmissen“, stellte der Belgier fest. „Zum ersten Mal, seit ich hier bin, hatte die Mannschaft keine Seele.“

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