: Eine „innere Aufgeregtheit“
Am Tag, bevor der Castor kommt: Anti-Atom-Demonstration blockiert Straße vor Kaserne in Lüneburg. 50 Leute werden nach der Aktion von der Polizei eingekesselt, für 20 Stunden wurden Platzverweise erteilt
von HEIKE DIERBACH
Bei Aldi gibt es in dieser Woche Lederhandschuhe für 14,99 Euro. Aber nicht deshalb hat sich vor dem Billigmarkt an der Bleckeder Landstraße in Lüneburg eine Menschentraube versammelt: Er ist am Nachmittag Ausgangspunkt für die gestrige Aktion des Anti-Castor-Bündnisses Heidewerkstatt.
Das Ziel der Aktion ist, obwohl geheim, nicht schwer zu erraten: 200 Meter die Straße hoch liegt die Schlieffenkaserne, in der während des Castor-Transportes Polizeikräfte untergebracht sind. Innerhalb von zwei Minuten haben die rund 150 AtomkraftgegnerInnen das Areal davor blockiert. Die Polizei-Kräfte vor der Kaserne reichen nicht, um die DemonstrantInnen von der Straße zu drängen. Erst nachdem Verstärkung in Schutzausrüstung eingetroffen ist, ziehen die BeamtInnen den Kreis um die Castor-GegnerInnen enger.
Der Konfliktmanager der Polizei, Frank Tappe, mischt sich in die Menge, sucht aber vergeblich einen Ansprechpartner. Nach dreimaliger Aufforderung drängt die Polizei die DemonstrantInnen unter deren lautem Protest von der Straße auf den Bürgersteig. Aber dort bleiben sie – und jetzt blockieren die BeamtInnen die Straße. Tappe resigniert: „Wenn es nie einen Ansprechpartner gibt, kann man nicht viel machen.“ Dabei habe er doch den Einsatzleiter bitten wollen, den Kreis etwas weiter zu machen, „denn bei manchen jungen Leuten war durch die Enge schon eine innere Aufgeregtheit vorhanden“. Die DemonstrantInnen singen „Wir wollen keine Atomkraft. . .“
Schließlich setzen sie sich in Richtung Innenstadt in Bewegung. Ein Trupp von 50 Personen wird eingekesselt. Von allen werden die Personalien festgestellt, wer nicht in Lüneburg wohnt, bekommt einen Platzverweis für die ganze Stadt für die nächsten 20 Stunden – dann soll der Castor Lüneburg passiert haben.
Am Vormittag waren die Castor-GegnerInnen vor die Bezirksregierung gezogen und hatten ein Gespräch mit Regierungspräsidentin Ulrike Wolff-Gebhardt gefordert. Diese bot als Gesprächspartner jedoch nur ihren Stellvertreter an, was die DemonstrantInnen ablehnten.
Auf der Bahnstrecke Lüneburg-Dannenberg schafften es gestern 200 Menschen bei Tollendorf auf die Gleise. Als die Polizei Wasserwerfer aufzog, verließen die DemonstrantInnen die Schiene, auch hier wurden Personalien aufgenommen.
weitere berichte SEITE 9
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen