„Anstelle von Abriss jetzt Aufbruch“

Nach der Asbestsanierung soll der Palast der Republik 2003 zu einem Kulturzentrum werden. Kosten für eine Zwischennutzung als Kunstprovisorium: 1,3 Millionen Euro. Konzept und Ausstellung stellten Künstler und Architekten vor. Fazit: Der Palast lebt

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Im Staatsratsgebäude weht der Geist des Palastes der Republik. In der Gestalt von Abgeordnetenbänken aus dem früheren Volkskammersaal, verkleidet als Fotostrecke samt Toncollage über das Haus oder in Form von riesigen Prospekten mit ostmodischen Kellnern aus der Mokka-Bar lässt er Nostalgie aufkommen. Aber keine falsch verstandene. Eher sind es recht witzig gemachte Erinnerungen aus der Asservatenkammer des Deutschen Historischen Museums oder Installationen wie die der Gruppe visomat inc., die auf Video-Screens den vom Asbest befreiten – und toten – Rohbaupalast in pulsierendem Rhythmus lebendig werden lässt. Da tanzt der Bau den Stepp, ist Kunst und wieder nutzbar für Augen und Ohren.

Die künstlerischen Projekte in den Foyers des Staatsratsgebäudes gehören zu der Ausstellung „Zwischen Palast Nutzung“, die ab heute bis einschließlich Sonntag zu sehen ist. Als Arbeiten mit Rudimenten aus dem Palast der Republik und in der artistischen, tontechnischen oder visuellen Auseinandersetzung mit dem entkernten Bau verweisen sie zugleich auf die eigentliche Begehrlichkeit ihrer Macher. „Zwischen Palast Nutzung“ bildet eine Inspiration für Augen und Ohren im Kontext der temporären Nutzbarkeit des ungeliebten DDR-Symbols.

Und darum geht es: Der Bau ist Kunst und Kult, seine rohen Innenräume sollen Spiel- und Projektionsfläche für Theater-, Opern- und Musikaufführungen werden. Der Ort in der Mitte der Stadt ist nicht tot. Er soll leben, bis das Schloss einmal kommt.

Es ist kein Geheimnis, dass seit dem Abschlussbericht der internationalen Expertenkommission „Historische Mitte Berlin“ immer wieder und immer mehr über eine temporäre Nutzung des Palastes als Aufführungsort für künstlerische Projekte debattiert wird. Angeregt hatte dies die einstige Kultursenatorin Adrienne Goehler im Frühjahr 2002. Der Expertenbericht zum Wiederaufbau des Stadtschlosses nahm diese Empfehlung „einstimmig“ mit in sein Votum auf. Heute sprechen sich nicht nur der jetzige Kultursenator Flierl, sondern auch Künstler, Tanz- und Theatergruppen, Intendanten sowie Literaten wie Günter Grass für die Verlebendigung des Hauses und Ortes aus.

Auch der Bund als Eigentümer hat sich zur Öffnung bereit erklärt. So befürwortet die neue Kulturstaatsministerin Christina Weiss das Provisorium, allerdings nur, wenn dem Bund keine Kosten entstünden. „Anstelle von Abriss muss Aufbruch am Schlossplatz treten. Die Zwischennutzung ist dazu ein erster realistischer Schritt“, sagt auch Thomas Krüger, Chef der Bundeszentrale für politische Bildung.

Verhindert hat die konkrete Nutzungsidee weniger die erst Ende 2002 abgeschlossene Asbestsanierung, die das Innenleben des Palastes als Hohlraumskelett zurücklässt, sondern eher die ablehnende Haltung des Berliner Bausenators oder der Einspruch des Bundesfinanzministeriums als Eigentümer der Immobilie. „Ich bin gegen jede Zwischennutzung“, sagt Strieder und begründet seine Antipathie mit Kosten bis zu 16 Millionen Euro, mit denen der Bau aufgepeppt werden müsste.

Im Rahmen der Ausstellung hat nun am Mittwoch das „studio urban catalyst“ von der Technischen Universität (TU) ein finanzielles und künstlerisches Konzept vorgelegt, das dem widerspricht: „Strieders Zahlen sind pure Spekulation“, meint Philipp Oswald, Architekt und Initiator des TU-Forschungsprojekts. Statt der Verhinderungsstrategie, die nur mehr den Schlossplatz als abgefuckte Brache im Stadtzentrum zurücklasse, könne die „Zeitlücke“ bis zu den geplanten Baumaßnahmen für das Schloss überbrückt werden: mit einer dreijährigen Zwischennutzung des Palastes als „provisorisches Kulturzentrum“, das als „kulturelles und urbanes Laboratorium“ diene und der Öffentlichkeit „wieder zugänglich gemacht wird“. Ende November wollen Initiatoren mit dem Bund über die Wiedereröffnung sprechen.

Genauer gesagt darüber, wie Philipp Misselwitz, ebenfalls Architekt, ausführte: „Es geht nicht um eine Reaktivierung des gesamten Gebäudes, sondern nur um den Raum des früheren Volkskammersaals, der bespielt werden soll.“ Der 14 Meter hohe und 2.600 Quadratmeter große Saal biete rund 800 Besuchern Platz, die die „Suggestivkraft der Rohheit“, gepaart mit Kunst, erleben könnten. Gesichert würde der Raum mit rein „essenziellen Maßnahmen“ für Einbauten des Brandschutzes, der Verkehrssicherheit und für Lüftung sowie einem Betonboden.

Die Investitionen dafür habe, versichert Misselwitz, ein renommiertes Ingenieurbüro, das schon den Reichstag und das Kanzleramt durchkalkulierte, errechnet und 1,3 Millionen Euro als Kostensumme veranschlagt. Das sei, gemessen an den Mitteln für das Schloss (rund 700 Millionen Euro) „doch wenig“ und durch Sponsoren sowie eine öffentliche Spendenaktion finanzierbar.

Nike hat sich schon gemeldet. Verhüllt bald ein Turnschuh den Palast, in dem die Kunstgeister spuken?