pampuchs tagebuch: Die Update-Verschwörung
Ärger, nichts als Ärger habe ich derzeit, wann immer ich eine Computer anfasse. Mein Kistchen ist platt, das andere viel feinere Teil, mit dem ich im Bayerischen Fernsehen Untertitel schmiede, stürzt jede Stunde einmal ab. Es ist einfach der Wurm drin. Einziger Trost: Seit es Computer gibt, sind die Würmer immerhin globalisiert, hat die Welt eine universelle neue Quelle der Frustration. Stress für alle: Mann und Frau; Arm und Reich; Weiß, Schwarz, Rot, Gelb. Wir regen uns zunehmend über dieselben Dinge auf. Einigkeit im Frust. Gemeinsamkeit als Opfer. Eine Chance, eine Hoffnung?
Ich muss es mal herausschreien: Ich habe es satt, das Versuchskaninchen für neue Software zu sein. Warum muss überhaupt andauernd neue Software eingeführt werden? Und warum, in drei Teufels Namen, müssen irgendwelche ignoranten Softwareheinis laufend etwas umprogrammieren, wovon sie nur recht wenig verstehen? Das kann doch nur schief gehen! Ausbaden müssen es jedenfalls arme Schweine wie ich. Ich will nicht einsehen, warum – nur zum Beispiel jetzt mal – ein braver Übersetzer und bewährter Filmuntertiteler, der seit Jahren das anspruchsvolle TV-Publikum mit feinen Untertiteln im Nachtprogramm versorgt, zum Sklaven von irgendwelchen Programmierern gemacht wird, die mich zwingen, umzusteigen: Die alte, bewährte Untertitelsoftware hat ausgedient. Gut, sie hatte ihre Macken, aber an die hatte ich mich gewöhnt. Nun kann ich mich tagelang herumschlagen mit einer neuen, unausgegorenen, stotterigen, dauernd zusammenbrechenden, mit überflüssigsten Features verunstalteten und doch nur scheinbar innovativen, jedenfalls einfach noch nicht fertig entwickelten Popelversion. Ich muss mich an sie anpassen, nicht etwa umgekehrt.
Es kann sich nur um eine Verschwörung handeln. Die aber gibt es überall und ständig: In jeder Klitsche, jedem Betrieb, jeder Behörde, jeder Institution. Es ist die Update-Verschwörung. Und sie ist global. Zugegeben, jede Software kann verbessert werden. Aber warum dulden wir es, dass lausige Programmierer uns ungefragt laufend neue Softwareversionen auf den Tisch knallen? Jeder kennt das: Alle zwei Jahre nervt uns Bill Gates mit neuen Windows, AOL, Real Player und all die anderen halten uns mit 5.0s, 6.0s und 7.0s oder ähnlich fantasievollen Nummern auf Trab. Immer neue unverlangte Features beanspruchen seit einem Jahrzehnt die Nerven von Millionen Erdenbürgern, kosten die Weltgesellschaft Milliarden von Mann-und-Frau-Stunden, die für so viel Kreativeres genutzt werden könnten. Doch wir hängen am Tropf der Programmierer. Weltweit.
Ich will ja gar keinen Stillstand. Ich will nur, dass wir nicht allesamt in die Geiselhaft dieser selbst ernannten und unkontrollierten Innovateure und ihrer Helfer, der Händler, genommen werden. Nirgendwo – mit der möglichen Ausnahme der Haute Couture – verlieren die Dinge so schnell an Wert wie in der Welt der Soft- und Hardware. Jedes Update ist ein Downdate des Bestehenden, eine gigantische, ununterbrochene Wertevernichtung. Natürlich gibt es schlaue Leute, die sich davon unabhängig machen und ihre alten Kisten und Versionen hegen und pflegen. Doch wer mit Oldtimern spielt, muss ganz schön Ahnung haben, wenn rings die Update-Haie lauern. Wir Laien aber werden gefressen. Meiner Freundin D. hat neulich ein Händler erklärt, dass ihr alter, schöner Tintenstrahldrucker von 1992 auf einem neuen PC mit neuer Software nicht mehr laufe und sie ihn wegschmeißen könne. Klarer Fall von Outdate. Sie machen mit uns, was sie wollen. Die wahre Software, das sind wir. Zeit, dass wir uns wehren. Down with updates! THOMAS PAMPUCH
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