Ein Streit um Moskitos – und Öl

Die UNO versucht, einen Grenzstreit zwischen Nigeria und Kamerun um eine sumpfige Halbinsel zu entschärfen. Nigeria verlor kürzlich vor Gericht und ist sauer

LAGOS taz ■ Die Präsidenten von Nigeria und Kamerun treffen heute in Genf mit UN-Generalsekretär Kofi Annan zusammen, um einen Grenzstreit zu entschärfen, der die beiden Länder in Westafrika an den Rand eines Krieges getrieben hat. Streitpunkt ist die 1.000 Quadratkilometer große Halbinsel Bakassi an der Atlantikküste. Der Internationale Gerichtshof in Den Haag hatte am 10. Oktober nach einem jahrelangen Prozess entschieden, dass Bakassi zu Kamerun gehört – obwohl Nigeria das Gebiet seit 1993 kontrolliert.

Landstreitigkeiten haben schon mehrfach gewaltsame Konflikte unter Nachbarn in Afrika gestiftet. Schuld sind häufig unnatürliche Grenzen, die Kolonialmächte in Unkenntnis der örtlichen Geografie zogen. Auch jetzt gründeten die Richter in Den Haag ihr Urteil auf einen Vertrag von 1913 zwischen Deutschland und Großbritannien, der die Grenzziehung zwischen den Kolonien Kamerun und Nigeria festlegte.

Seit den 80er-Jahren hat es zwischen Nigeria und Kamerun mehrere Zusammenstöße um Bakassi gegeben. Und es war abzusehen, dass ein Urteil aus Europa den Streit zwischen afrikanischen Nachbarn nur bedingt schlichten kann. Kurz nach dem Spruch aus den Haag hatte Nigerias Präsident Olusegun Obasanjo seine Landsleute noch aufgerufen, das Urteil hinzunehmen. Ihm schien es zu reichen, dass Nigeria zwar die territoriale Kontrolle abgeben, aber laut dem Urteilsspruch seine Ölrechte in den Küstengewässern behalten würde. Aber nur Tage später hieß es, das letzte Wort sei noch keinesfalls gesprochen. Erst vor den heutigen Verhandlungen wurde wieder betont, man wolle nicht das Urteil aus Den Haag in Frage stellen, sondern nur über ungeklärte Details reden.

Die Zukunft des moskitoverseuchten Sumpfgebietes sieht jedenfalls ungewiss aus. Beim Streit geht es nicht zuletzt um Rechte für den Fischfang und noch mehr gewinnträchtige Ölförderrechte. Aber während in Kamerun Zeitungen über den „Sieg“ jubeln, sorgen sich Kommentatoren in Nigeria mehr um die gefährdete Einheit ihres Landes als um Bakassi.

Die Zurückhaltung in Nigeria hängt mit der Tradition des Landes zusammen. Richter und Anwälte genießen wie sonst kaum in Afrika hohes gesellschaftliches Ansehen; viele Meinungsführer, Politiker und Bürgerrechtler sind Juristen. So wird über Bakassi eher akademisch diskutiert, während Sprücheklopfer schnell abgebürstet werden. Als ein Gouverneur aus dem Norden des Landes ironische Glückwünsche zum Verlust nigerianischen Bodens aussprach, erntete er herbe Kritik von Florence Ita-Giwa, Senatorin und Präsidentin der „Selbstbestimmungsfront der Bakassianer“. Eine Mehrheit der Nigerianier sieht die Leute auf Bakassi als Landsleute und das Terrain als nigerianisch an. Aber noch steigt der Konflikt nicht zum Wahlkampfthema auf. HAKEEM JIMO