Im Süden Londons ist auf dem Gelände eines früheren Klärwerks eine Solarsiedlung entstanden: das BedZed Nullenergieprojekt

von RALF SOTSCHECK

Von weitem sehen die bunten Türme aus wie der Hahnenschwanz auf einer bekannten Cornflakespackung. In Wirklichkeit ist es das Ventilationssystem des „Beddington Zero Energy Development“, kurz: BedZed. Diese Siedlung nahe der Südlondoner Eisenbahnstation Hackbridge hat den diesjährigen Europäischen Solarpreis in der Kategorie „Solares Bauen“ gewonnen.

Das Projekt, das auf dem Grundstück einer früheren Kläranlage entstanden ist, unterscheidet sich schon auf den ersten Blick von herkömmlichen Neubausiedlungen: Es ist viel Platz für Fußgänger und Radfahrer, Parkplätze für Autos sind dagegen Mangelware. Aber es gibt eine Stromtankstelle für Elektroautos, die von den Bewohnern gemietet werden können. Der Strom dafür wird von der Siedlung selbst erzeugt – und zwar aus erneuerbaren Quellen. Die Kommunalverwaltung liefert Holzabfälle, die ansonsten auf der Müllkippe landen würden. Damit wird ein Generator angetrieben, der Strom produziert und das passive Solarsystem unterstützt. Dieses Solarsystem benötigt keine Pumpen oder Ventilatoren, sondern arbeitet mit Windenergie.

Durch einen Wärmeaustauscher werden fünfzig bis siebzig Prozent der verbrauchten Warmluft aufgefangen und wiederaufbereitet. Da sämtliche Fenster dreifach verglast und die Wände mehrfach isoliert sind, benötigt BedZed neunzig Prozent weniger Energie zum Heizen als herkömmliche Gebäude. Mit dem überschüssigen Strom werden die Autosteckdosen versorgt.

Auch am Wasser wird gespart. Abwasser und Regen werden gefiltert und für die Toilettenspülung sowie für die Bewässerung der Dachgärten verwendet. Da die Toiletten über eine Spartaste verfügen und die Wasserhähne mit Wasser sparenden Sprühköpfen ausgerüstet sind, sinkt der Verbrauch um bis zu fünfzig Prozent. Doch die Architektur ist nur ein Aspekt des Projekts. Die Bewohner sollen durch ein ausgedehntes Nahverkehrsnetz ermutigt werden, ihre Autos abzuschaffen; sie sollen auf lokal produzierte Biolebensmittel umsteigen, die im BedZed-Supermarkt angeboten werden; und schließlich sollen möglichst viele Bewohner am Wohnort arbeiten, denn neben 82 Wohneinheiten enthält BedZed auch achtzehn Geschäftsräume für kleine kreative und technologische Unternehmen.

Der Architekt Bill Dunster sagt: „Es hat ja keinen Sinn, ein hochmodernes ökologisches Geschäftshaus zu entwerfen, wenn die Angestellten jeden Tag 25 Meilen fahren müssen, um dorthin zu gelangen.“ Dasselbe gelte für die Einkäufe: „Lebensmittel sind für ein Drittel des Kohlendioxidausstoßes einer Durchschnittsfamilie verantwortlich, weil die Ware von weit her transportiert werden muss. Deshalb legen wir Wert auf lokale Produkte.“

Wer kann sich das alles leisten? Die Kaufpreise sind nicht gerade niedrig, für eine Zweizimmerwohnung zahlt man 102.500 Pfund (160.000 Euro), ein Haus mit vier Schlafzimmern kostet 245.000 Pfund (380.000 Euro). Im Vergleich zu anderen Londoner Vororten ist das allerdings noch preiswert. Hinzu kommt, dass 23 Wohnungen mit staatlicher Hilfe teilfinanziert werden, zehn Wohnungen gehen zu billiger Miete an Handwerker und Arbeiter, die vor Ort benötigt werden, die restlichen fünfzehn Einheiten sind Sozialbauwohnungen.

An Interessenten besteht kein Mangel, bereits vor einem Jahr standen dreihundert Familien auf der Warteliste. Der Architekt Steve Piltz und seine Frau Lindsay sind aus ihrem Fünfzimmerhaus auf dem Land in eine Vierzimmerwohnung in BedZed gezogen. „Eigentlich ist es weiter von der Innenstadt Londons entfernt, als wir wollten“, sagt Piltz. „Aber in London zahlst du doppelt so viel und hast nur einen winzigen Balkon.“

RALF SOTSCHECK, 48, ist Irland- und UK-Korrespondent der taz. Er lebt in Dublin