Ein fernes Land

Im ausverkauften Quasimodo schafft es Joshua Redman nicht, sich vom weich gespülten Jazz zu verabschieden

Mit geschlossenen Augen beugt sich Joshua Redman über sein Tenorsax und wiegt sich auf dem Klangteppich der Hammond-Orgel, gestützt von den regelmäßigen Stößen der Bass-Drum. Sein Aussehen hat sich verändert. Nicht mehr der hippe Vorzeigejazzer mit schwarz-glänzender Glatze, Bart und Designeranzug, der spartenübergreifend mit Mick Jagger und den Stones tourte. Er gibt sich im unauffällig zurückgenommenen Downtown-Look.

Im September erschien das zehnte Album des 33-jährigen Redman, mit dem er sich von seinem klassischen Mainstream-Quartett-Sound lösen und endlich das 90er-Jahre-Etikett des „Young Lion“ abschütteln wollte. „Elastic“ nennt er diesen Sound, so dehnbar wie der Jazzbegriff selbst – und Befürchtungen beruhigend, durch diese für ihn ungewöhnliche Klangauffassung seine Hörer zu verstören.

Redmans Orgeltrio entstand im vergangenen Jahr wie zufällig in New York. Organist Sam Yahel, der auch mit Norah Jones ihr Album „Come Away With Me“ einspielte, hatte dort zweimal die Woche einen Gig mit Schlagzeuger Brian Blade und Trompeter Steven Bernstein.

Als Bernstein eines Abends nicht kommen konnte, sprang Redman ein. Es folgten regelmäßge Auftritte im „Small’s“ unter dem Bandnamen Yaya3 – nach einem Spitznamen von Yahel. Im Juni dieses Jahres erschien bei Redmans Label Warner Bros. die gleichnamige CD.

Yahel und Blade bilden auch Redmans „Elastic-Band“. Im ausverkauften Quasimodo kam statt Blade der Chick-Corea-Schlagzeuger Jeff Ballard. Sie spielen in der Art der in Amerika zur Zeit immens erfolgreichen Jam Bands, die hier durch das Orgeltrio Medeski, Martin & Wood bekannt wurden. Langgedehnte Improvisationen von zehn Minuten und mehr, Stücke die sich über ein ganzes Set ziehen können, nach dem Vorbild der Grateful Dead. Im Gegensatz zu dem eher minimalistisch-experimentellen Medeski, gibt sich Yahel linearer und ingesamt soundorientierter.

Er wechselt zwischen Hammond-Orgel, Synthesizer und Fender Rhodes und formt den Hintergrund für Redmans schnelle Läufe und ausgedehnte Improvisationen auf dem Tenor- und Sopransaxofon. Redman experimentiert mit Overdubs und Verfremdungseffekten. Sein Zusammenspiel aus Klappengeräuschen, Überblasen und Oktavsprüngen erzielt die Wirkung, als würden mehrere Bläser nebeneinander spielen.

Dann wieder wechselt der Bandsound und irritiert durch schmalzige Softballaden, wie bei „In a land far away“ im Stil der Brecker Bros. bis hin zu Dave Grusin. Diese Art weich gespülter Jazz kommt in den Staaten gut an, und Redman schafft es nicht, sich davon grundsätzlich zu verabschieden.

Die Soli von Saxofon und Rhodes wechseln sich daher auch in regelmäßiger Vorhersehbarkeit ab, der Schlagzeuger bleibt im Hintergrund.

Erst bei der zweiten Zugabe nach zwei Stunden hochenergetischen Spiels ohne Pause bekommt auch er sein Solo. Leise und behutsam auf dem schönsten Stück des Abends, der Yahel-Komposition „Oumou“.

MAXI SICKERT