Von den Nachbarn lernen

Länderporträt Belgien: Neben kulinarischen Spezialitäten kann man auch belgische Fondskonzepte in Deutschland kaufen. Ein Gesetz soll die Nachhaltigkeitsberichtspflicht bei Pensionsfonds sichern

Die Spezialitäten, die dem Deutsche zu seinem belgischen Nachbarn zuallererst einfallen, sind wohl vor allem die belgischen Pralinen, die Spielarten des belgischen Biers und, nicht zu vergessen, auch belgische Pommes frites.

Die Teilnehmer der im November dieses Jahres in Brüssel präsentierten Tripple Bottom Line Konferenz, der größten SRI-Konferenz Europas, konnten Social Responsible Investment mit Gaumengenuss aus Belgien verbinden, wenn sie neben Eindrücken von der Konferenz auch belgische Pralinen mit nach Hause brachten. Was gibt es Wissenswertes, was belgisches nachhaltiges Investment seine europäischen Nachbarn lehren kann?

Die belgische Bank Algemene Spaar en Lijfrentekas (heute Teil der Fortis Bank) startete 1984 mit dem so genannten Krekelsparen. Seit 1984, als sich auch in Deutschland die Gründungsidee der Ökobank manifestierte, können belgische Sparer durch Krekelsparen in Sparkonten investieren, deren Geldanlage bestimmte Investments ausschließt (wie Waffenprodukte und Kernenergie) und einen bestimmten Anteil des Geldes in soziale und ökologische Projekte lenkt. Heute gibt es etwa 12.000 „Krekelsparer“ in Flandern mit einem Volumen von 75 Millionen Euro. Die vorherrschenden Aspekte dieser Anlageform sind vor allem die inhaltliche Identifikation mit ökologischen Themen und die Solidarität mit sozialen Initiativen. Insgesamt gibt es heute vor allem über die Fortis Bank und die Triodos Bank als Marktführer in Belgien ein Volumen von etwa 250 Millionen Euro bei nachhaltigen Sparanlageformen.

Größer ist das Volumen mittlerweile bei nachhaltigen Fonds. 1992 wurden in Belgien die beiden ersten Nachhaltigkeitsfonds auf den Markt gebracht durch Van Moer Santerre und KBC: VMS Ethifonds und KBC Eco Fund. Während der KBC Eco Fund nur den Aspekt Umwelt berücksichtigte und sich Titel aus den Umweltpionieren suchte, legte der VMS Ethifonds eine umfassende Analyse nach sozialen, ökologischen und ökonomischen Nachhaltigkeitskriterien durch die Research-Agentur Ethibel zugrunde.

Ethibel, eine Non-Profit-Organisation, schaffte es in den vergangenen zehn Jahren, sich als unabhängiges Nachhaltigkeits-Research-Institut als Bindeglied zwischen Finanzen, Unternehmen, Gewerkschaften und NGOs zu etablieren und schuf schon Anfang der 90er-Jahre das Ethibel Label. Dieses Label berücksichtigte von Beginn an alle drei Zielgrößen von Nachhaltigkeit. Es kennzeichnet Fonds, die ausschließlich in Firmen aus einer Liste von Nachhaltigkeitspionieren und Best-of-Class-Unternehmen investieren, die Ethibel nach einem aufwändigen Bewertungssystem aufstellt.

Der SRI-Fonds-Markt in Belgien bekam 1996 einen Schub sowohl in Hinblick auf die Anzahl der Fonds als auch auf deren Volumen durch das Engagement der Bacob Bank. Bacob Bank – heute Teil der Dexia Bank – war 1996 die fünftgrößte belgische Bank und nahm sich des Themas Nachhaltigkeit an. Die Bank machte große Anstrengungen im Marketing ihrer beiden ersten Nachhaltigkeitsfonds „Bacobs Investments Stimulus Dynamic“ und „Investments Stimulus Defensive“ (heute „Dexia Sustainable“). Die beiden Fonds wurden schnell sehr populär in Belgien. Die Dexia Bank hat heute noch einen Marktanteil von etwa 70 Prozent bei SRI-Fonds in Belgien und bietet eine große Bandbreite von eigenen SRI-Fonds an. Ethibel als Partner für das Nachhaltigkeitsresearch profitierte von dieser Entwicklung und konnte sich als das belgische Research-Institut etablieren.

Das Beispiel Bacob/Dexia Bank zeigt, wie der Markt von nachhaltigem Investment durch beherztes Agieren eines traditionellen Finanzinstituts auf die Beine gestellt werden kann. Im Kontrast dazu steht die Zurückhaltung vieler deutscher Kreditinstitute, die kaum eigene SRI-Produkte anbieten und den deutschen Markt ausländischen – vielfach Schweizer – Anbietern überlassen haben.

Auch andere Finanzinstitute griffen das Thema Nachhaltigkeit auf. Der Durchbruch für SRI in Belgien kam mit dem Jahr 2000, als sich innerhalb eines Jahres die Zahl der SRI-Fonds und der involvierten Banken verdoppelte. Ende 2001 gab es nach Auswertung der SiRi Group 36 belgische SRI-Publikumsfonds gegenüber nur 22 von inländischen Instituten aufgelegten Fonds in Deutschland. Das kleine Land Belgien hat demnach ein größeres Angebot an SRI-Publikumsfonds als Deutschland! Der Anteil am Gesamtmarkt, den SRI-Fonds in Belgien mit einem Volumen von etwa 1 Milliarde Euro einnehmen, ist mit etwa 1 Prozent in Belgien doppelt so hoch wie in Deutschland mit rund 0,5 Prozent.

Der institutionelle Markt für SRI steckt in Belgien noch in den Kinderschuhen. Belgiens Pensionsfonds als private Säule der Altersvorsorge, die in anderen Ländern wie Schweden, Holland oder den USA die treibende Kraft für SRI Investment darstellt, haben noch kein allzu großes Volumen. Auch in Belgien wird inzwischen (wie in anderen Ländern, zum Beispiel Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Schweden) ein Gesetz zur Regulierung von Pensionsfonds auf den Weg gebracht, das die Berichtspflicht hinsichtlich der Berücksichtigung von SRI-Kriterien in der Anlageentscheidung vorschreibt. Das „Vandebroucke“-Gesetz wird voraussichtlich im Lauf des Novembers zur Lesung ins belgische Parlament kommen.

Belgien ist ein kleiner lokaler Markt, die einheimischen belgischen Institute – allen voran Dexia Bank – haben es geschafft, Marktführer zu sein und das Ethibel Label wurde unter anspruchsvollem Bezug auf Tripple Bottom Line (people, planet, prosperity) der Standard in Belgien. Der Aufwand, den Ethibel dabei für die Weiterentwicklung hochwertigen Nachhaltigkeitsresearchs machen kann, ist enorm. Ethibel brachte die Terminologie des Nachhaltigkeitsfonds der vierten Generation ins Spiel, der einen intensiven Dialog mit den Stakeholdern der untersuchten Unternehmen fordert.

Dieser Aufwand muss geleistet und auch bezahlt werden; in Belgien hat sich die Dexia Bank mit dem Ethibel Label dieser Qualität verschrieben. Seit Sommer dieses Jahres bietet Ethibel seine Produkte über Partner-Researchunternehmen auch im europäischen Ausland an. Neben belgischen Pralinen und Bier kann man also in Deutschland auch belgische SRI-Konzepte kaufen. VOLKER PETERS

Der Autor ist Mitarbeiter der scoris GmbH, Hannover. www.scoris.de und www. ethibel.org