Bodo Schnabel, Chefclown

Comroad-Gründer Schnabel zeigt sich im Anlagebetrugsprozess uneinsichtig, aber auch verwirrt. Juristen rechnen mit klarer Verurteilung und rund 10 Jahren Haft

MÜNCHEN taz ■ Bodo Schnabel verhält sich vor Gericht fast, als wäre er unzurechnungsfähig. Der Exchef der Navigationssystemefirma Comroad, der wegen des Vorwurfs der Bilanzfälschung den zweiten Tag vor Gericht steht, widerspricht sich laufend, wirkt konfus, nimmt sogar sein Teilgeständnis ein Stück zurück. Damit verspielte der 51-Jährige gestern seine wohl letzte Chance auf ein mildes Urteil.

Die Beweise gegen ihn sind erdrückend. Gemeinsam mit seiner Frau Ingrid hat der Firmengründer laut Anklage von 1998 bis Anfang 2002 die Millionenumsätze seines Unternehmens fast komplett frei erfunden. Seit seiner Festnahme im März gilt er als der größte Betrüger am Neuen Markt. Staatsanwalt Peter Noll hält ihn für ein „größeres Kaliber“ als die ebenfalls von ihm angeklagten EM.TV-Kapitäne Thomas und Florian Haffa und spricht am Rande der Verhandlung bereits von einer „zweistelligen“ Freiheitsstrafe. Bislang kamen Kursbetrüger in Deutschland nie ins Gefängnis.

„Ich möchte hinterher kein Wehklagen hören“, resignierte der Staatsanwalt. Schnabel war nicht auf das Angebot des Gerichts eingegangen, zu sieben Jahren verurteilt zu werden, wenn er ein Geständnis ablegt. Anders seine Frau, die im Aufsichtsrat saß und wegen Beihilfe zum gewerbsmäßigen Betrug angeklagt ist. Sie gab alles zu. Auf Geheiß ihres Mannes habe sie für Comroad falsche Rechnungen einer nicht existierenden Firma geschrieben. Gegen die Dominanz ihres Mannes sei sie nicht angekommen. Nun kann sie mit Bewährung rechnen.

Auch ihr Anwalt, Wolfgang Dingfelder, redete Schnabel erfolglos ins Gewissen: „Sie sind kurz davor, als der Clown des Neuen Marktes in die Geschichte einzugehen“, sagte er. Das Geplänkel endete mit dem Eingeständnis des Hauptangeklagten: „Dann bin ich der Chefclown.“

Der Ex-Comroad-Chef hielt daran fest, dass sein angeblicher Hauptgeschäftspartner Jeff Liu von einer Firma in Hongkong tatsächlich existiert: „Wir sind sehr sicher, dass wir ihn als Zeugen laden können.“ Eine Adresse konnte er allerdings nicht vorweisen.

Sehr schlecht kommt in dem Prozess auch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG weg. Obwohl es überhaupt keine Korrespondenz mit Lius Firma, mit der angeblich rund 90 Prozent des Umsatzes erzielt wurde, gab, habe KPMG die Jahresabschlüsse testiert, erklärte Schnabels Anwalt Thomas Pfister. „Die haben beide Augen zugedrückt.“ Doch für die Prüfer hat der Fall keine Folgen. Sie kündigten Comroad Anfang des Jahres. Der Neue Markt dagegen wird aufgelöst – auch wegen des Megabetrugs bei Comroad. OLIVER HINZ