: Schuhe und Meer
In der Spur von My Bloody Valentine: Die neuen Morr-Music-Bands Guitar und Ms. John Soda spielen im Maria
„Loveless“ von My Bloody Valentine ist eines dieser besonderen Alben. Seit 1991, als es veröffentlicht wurde, taucht es ständig wieder auf in der Geschichtsschreibung von Pop. Zählt zur Top-25-Liste psychedelischer Musik des altehrwürdigen New Musical Express, gilt als unumstößliches Ideal aller Shoegazer-Bands von Ride bis Boo Radleys und wird in Wohnzimmern von allen möglichen Bekannten selbst dann noch über die Boxen geschickt, wenn es nur als Kassette im Haus ist.
Das Besondere an „Loveless“ sind hunderte von dynamischen Gitarrenschichten in ausnahmslos jedem Song. Bis heute wird My Bloody Valentines Musik stereotyp, aber treffend mit dem Meer verglichen: eine Masse, die nur in ihrer Bewegung beobachtbar ist und oben Schaumkronen bildet.
Zu den wohl Millionen Fans weltweit zählt auch der Digital Jockey. In der Vergangenheit besonders als Laptop-Reiter beim Duo Computerjockeys bekannt geworden, betreibt der Neu-Berliner unter dem Namen Guitar jetzt Ozeanologie und erweist My Bloody Valentine seine Ehre. Macht schon die Informationspolitik des Labels Morr Music von Beginn an klar, dass es sich bei Guitar um ein reines Referenzding handelt, so lässt das Album „Sunkissed“ jeden Zweifel verstummen: Gitarrenwände, Rückwärtsloops und treibende Schlagzeug-Breaks verursachen haufenweise euphorische Momente. Ein Reichtum an Klängen, und dann noch diese sich um nichts in der Welt kümmernden Stimmen, die von Regina Janssen von Donna Regina und der Tokioter Sängerin Ayako Akashiba stammen! Ein Jubelfest der direkten Sinneswahrnehmung, eingeleitet durch Songtitel wie „House Full Of Time“ oder „See Sea, Bee And Me“. Der Sound der großen Vorbilder wird dabei noch einmal neu entworfen. Die Songs von My Bloody Valentine fließen wild, aber zäh; Guitar wiederum entzerrt das Undurchdringliche und setzt Luftschichten dazwischen. Obwohl das Projekt Guitar heißt, wurde alles am Rechner produziert.
Damit versinnbildlicht das Projekt auch das derzeitige Vorgehen des Labels Morr Music. Seit zwei, drei Jahren einer der erfolgreichsten Exportartikel der Berliner Kuschelelektronik, tauchen auf den Veröffentlichungen des Labels immer mehr Gitarren auf. Mit Guitar touren Ms. John Soda durch Europa: Eine richtige Band mit echten Gitarren aus der richtigen Indieband-Hochburg Weilheim. „Blue Skied And Clear“ wiederum, die aktuelle Label-Compilation, huldigt den Shoegazern Slowdive. Übrigens nur, wie Thomas Morr kürzlich gesagt hat, weil My Bloody Valentine zu nahe liegend gewesen wären. CHRISTOPH BRAUN
Morr Music Abend mit Guitar, Ms. John Soda, Static, DJ Thomas Morr: heute, 22 Uhr, Maria am Ufer, An der Schillingbrücke, Friedrichshain
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