Paulick in den Beutel gesteckt

Jahresversammlung des FC St. Pauli, Teil zwei: Die Wunschkandidaten des scheidenden Präsidenten Koch zum Aufsichtsrat fielen durch

Ruhe nach dem Sturm: Zu Beginn des zweiten Teils der Jahreshauptversammlung des FC St. Pauli am Donnerstagabend versuchte der Ehrenrat nach den Erfahrungen aus der ersten Versammlung vom 25. Oktober, die nach heftigen Diskussionen abgebrochen werden musste, die Mitglieder zu beschwichtigen. Man müsse zurück zur sachlichen Auseinandersetzung und keine Stimmung machen, die den FC St. Pauli „nicht mehr von anderen Bundesligisten unterscheidet“. Auch der sichere Versammlungsleiter Reinhard Wolf, Syndikus der Handelskammer Hamburg, forderte Respekt und Fairness ein.

Der Bericht der Kassenprüfer setzte die abgebrochene Versammlung fort und brachte gleich allerhand Diskussionsfutter mit sich. Immerhin haben 1143 Mitglieder ihre Beiträge nicht bezahlt, wodurch dem Verein ungefähr 80.000 Euro fehlen. Die Vorwürfe gegen Ex-Coach Dietmar Demuth und Vizepräsident Stephan Beutel, bei dem Transfer des brasilianischen Profis Marcao mitverdient zu haben, wurden von Kassenprüfer Lars Sörensen aus der Welt geschafft. Sörensen hob vielmehr die diffusen Verästelungen von Aufsichtsrat Peter Paulicks beim FC St. Pauli hervor, der den Verein nicht nur anwaltlich beraten hat, sondern auch in mehreren Positionen der angeschlossenen Gesellschaften des Vereins sitzt (taz berichtete).

Die Situation der Vermarktungs-KG des Vereins konnten die Prüfer nicht beurteilen, da der Gesellschafter „upsolut“ den Einblick in die Bücher bis heute verwehrt hat. Hier forderte Sörensen den Aufsichtsrat auf, seine Kontrollfunktion in Zukunft stärker wahrzunehmen. Was ebenso für die laut Kassenprüfer nicht satzungsgemäße Bereitstellung der Bilanz gilt.

Anschließend betrat Paulick das Podium und verlas den Bericht des Aufsichtsrats: Er verstand es dabei, vor allem auf die „wenig befriedigende Einkaufspolitik“ hinzuweisen und dafür Beutel und Demuth verantwortlich zu machen. Als Paulick dann auch noch auf den von Beutel mit dem vermeintlichen Waffenhändler Wegener vollzogenen Transfer des Spielers Adamu abhob, forderte er eine nur eingeschränkte Entlastung des Präsidiums.

Beutel, um eine Stellungnahme gebeten, fing die Stimmung mit den Worten ein, hier gehe es nicht um Einzelmeinungen, „sondern um einen Verein“. Er gestand zwar Fehler in der sportlichen Einschätzung mancher Spieler ein, suchte dann aber den direkten Konfrontationskurs mit Paulick. Beutel sah sich als Opfer einer Schlammschlacht, die „mit den Basisgründen des Vereins nicht zu vereinbaren ist“.

Auch zu den Waffenhändler-Vorwürfen nahm er Stellung: Selbst die Deutsche Fußball-Liga habe den Adamu-Transfer in keiner Weise beanstandet. Nach Beutels beifallumrauschtem Auftritt machte der Aufsichtsrat einen Rückzieher und beschloss nun doch, das Präsidium uneingeschränkt zu entlasten. Die Anträge auf Abwahl der Präsidiumsmitglieder Reenald Koch, Christian Pothe und Stephan Beutel, die seit Wochen auf dem Tisch lagen, wurden zurückgezogen. Entlastung wurde erteilt.

Die abschließende Wahl des neuen Aufsichtsrates brachte nun eine komplette Umkehrung der bisherigen Verhältnisse beim FC St. Pauli. Der mächtige Paulick bekam einen Denkzettel verpasst und scheiterte bei der Wahl. Auch Jörg Köhncke, ebenfalls ein Paulick-Koch-Kandidat, kam nicht in den Aufsichtsrat. Mit den besten Stimmenergebnissen wurden Tay Eich, Michael Burmester und Jost Münster gewählt. Der Aufsichtsrat hat jetzt bis April Zeit, einen neuen Kandidaten für die Nachfolge Reenald Kochs als Präsident zu suchen. Dann tagt eine außerordentliche Mitgliederversammlung. OKE GÖTTLICH