Die Auswahl nimmt enorm zu

Hörbücher sind längst schon kein Geheimtipp mehr. Auf immer mehr Gabentischen haben sie bereits ihren festen Platz. Wir stellen einiges zum Verschenken vor

Fast alles, was sich lesen lässt, kann man inzwischen auch hören. Der Markt gibt für jeden Geschmack etwas her.

Urlaub im Ohr

Dem Titel „Venedig“ legt der Verschenkende am besten ein passendes Paar Gummistiefel bei. Die Autoren fordern nämlich so nachdrücklich zum Besuch dieser Stadt auf, dass der Hörer am liebsten gleich losführe (so geschieht es übrigens auch auf den anderen CDs der Reihe „Urlaub im Ohr“). Die Atmosphäre von Plätzen, auf denen morgens Händler feilschen und nachmittags Kinder spielen, wird durch O-Töne hör- und somit spürbar. Musikalisch ist die Venedig-Reise von Vivaldi begleitet. Und immer plätschert Wasser, fahren Boote und Gondeln durchs Ohr – natürlich nicht ohne die Gesänge der Gondoliere.

R. Kober, M. Morgenstern: „Venedig“. Geophon, 1 CD, 13,80 €

Biografie: Valentin

Sehr eindrücklich war und ist immer wieder die Kunst des Karl Valentin. Eine gelungene Mischung aus Quatsch und Zeitgeschichte, Biografie und Lachmuskelangriff ist die bei Audiobuch erschienene siebenteilige Hörbiografie. Viele Einspielungen illustrieren, wie Karl Valentin arbeitete und lebte. Zu hören sind berühmte Stücke des großen Komikers, zu erfahren auch weniger Bekanntes wie etwa die Geschichte von Gründung und rasch folgendem Niedergang des Valentin’schen Panoptikums. Zugleich bietet sich dem aufmerksamen Zuhörer ein kleiner Ritt durch die Alltagsgeschichte – insbesondere der Münchner Kleinbürger bis in die Kriegs- und Nachkriegsjahre hinein.

M. Schulte: „Karl Valentin“. Audiobuch, 7 CDs, je 14,90 €

Hören und fühlen

Nicht nur ein Hör-, sondern gleichermaßen auch haptisches Erlebnis sind die Hörbücher aus dem Onomato-Verlag. Hier ruhen die kleinen Silberlinge auf dem samtenen Kissen der handgefertigten Schmuckschachteln. Und der Chef spricht selbst: Grimms Märchen und philosophische Texte, Dichterbiografien und Auszüge aus Kafkas Tagebüchern. Der Einmannverlag verdient diese Bezeichnung, denn nicht nur um die Produktion der CDs, sondern auch um die Gestaltung der Cover kümmert sich Axel Grube persönlich. Ein hübsches Geschenk sind die ewig jungen und stets wieder überraschenden Märchen der Brüder Grimm, die Grube in mitunter geheimnisvollem Tone vorzutragen weiß.

„Märchen der Brüder Grimm“. Onomato, 6 CDs, je 23,80 €

Klassik ohne Schnörkel

Wer sich auf Bewährtes verlassen will, der greife zu Andersens Märchen, im Wechsel vorgetragen von Petra Kelling und Otto Mellies. Der nackte Kaiser, der geschmolzene Zinnsoldat, die verwöhnte Prinzessin, das erfrorene Mädchen und der künftige Schwan füllen die erste, die fischschwänzige Meeresprinzessin die zweite CD. Die Beschenkten sollten allerdings seelisch gefestigt sein. Denn die Märchen des dänischen Dichters sind nicht nur wunderschön, sondern auch unsagbar traurig. Taschentücher könnten die Gabe ergänzen.

H. C. Andersen: „Märchen“. Reclam, 2 CDs, 14,90 €

Noch ein König

Die Heiligen Drei Könige hatten noch einen Kollegen. So will es die Legende vom vierten König, die Edzard Schaper notierte. Auch der kleine König aus Russland, so erzählt Otto Mellies, will dem Heiland huldigen, ihm Geschenke darbringen und ihn auf dieser Welt willkommen heißen. Ausgerüstet mit Gold und Perlen, edlen Pelzen, zarten Leinwänden und einem Töpfchen Honig, das ihm seine Mutter für das himmlische Kind mitgibt, macht er sich auf den Weg und folgt dem Stern. Unterwegs trifft er sogar die mächtigen Kollegen, aber die Begegnung ist eher unschön. Nach und nach verschenkt der kleine König all seine Gaben an Bedürftige, hilft, wo er kann, und verliert doch nie sein Ziel aus den Augen. Am Ende schließlich … aber wir wollen an dieser Stelle nicht vorwegnehmen, wie diese Weihnachtsgeschichte doch noch gut ausgeht.Edzard Schaper: „Die Legendevom vierten König“. Patmos,1 CD, 12,95 €

Bellinda meets Caruso

Kleinen Schwestern von großen Zicken sei das neueste Hörwerk von Jens Sparschuh ans Herz und auf den Gabentisch gelegt. Vor lauter Ärger über einen völlig schief gegangenen Tag träumt sich die kleine Bellinda in eine Traumwelt – aus der sie am Morgen gestärkt und gelassen aufwacht, um am Ende … doch das wird hier natürlich nicht verraten. Auch nicht, dass Curd Caruso ein Erfinder ist, der sich immer ziemlich nützliche Sachen ausdenkt, die allerdings nicht immer richtig funktionieren. Geholfen hat er Bellinda aber schließlich doch, auch wenn er den Ratgeber für kleine Schwestern, den zu schreiben er versprochen hatte, nicht einmal begann. Der sprachgewandte Autor liest selbst. Hat man sich einmal daran gewöhnt, amüsiert sein mitunter recht trockener Ton umso mehr.Jens Sparschuh:„Die schöneBellinda und ihrErfinder“.Audiobuch,2 CDs, 19,90 €

Man müsste Klavier spielen

Daniela muss sich oft mit ihrem kleinen Bruder herumärgern. Doch viel ärger ist, dass sie ständig Klavier üben soll – wozu sie natürlich nicht die geringste Lust hat. Wutentbrannt schlägt sie schließlich doch den Deckel hoch und spielt eine leichte Etüde – fehlerfrei. Daniela staunt und entdeckt den Klavierling. Ein kleinfingergroßes Wesen, das falsche Töne kraft Körpereinsatz verhindert. Carmen-Maja Antoni erzählt die Geschichte kurzweilig und spannend und schafft es vielleicht sogar, manchen Muffel zur Musik zu bewegen. Doch erstens ist die Geschichte auch ohne diesen Erfolg wunderschön und lustig. Zweitens kann man den Satz aus berufenem Klavierlingsmunde gar nicht ernst genug nehmen: „Viele versuchen sich, nur wenige sind auserwählt.“Lotte Kinskofer: „Der Klavierling“. Reclam,2 CDs, 14,90 €

BESPRECHUNGEN: K. JABRANE
A. LOHSE