Stabile Größe in der Krise

von KARL-HEINZ RUCH

„Bei der Zeitungskrise ist die Talsohle erreicht. Im nächsten Jahr werden die Anzeigenumsätze wieder steigen. Nach den Prognosen der Basler Experten der Prognos AG können die Zeitungsverlage in den Jahren 2004 bis 2006 Umsatzsteigerungen von deutlich über 3 % erwarten. Bis zum Jahr 2005 dürfte der Werbemarkt dann den Umsatz des Jahres 2000 erreicht haben.“

(Prognos AG zu Themenreport Print-Medien 2002)

Hätten die Experten von Prognos die gegenwärtige Krise genauso präzise prognostiziert, bliebe den Verlagen heute erspart, all ihre Neuerungen der vergangenen Jahre wieder abzuschaffen.

Die Zeitungskrise erlebt gerade ihren Höhepunkt. Die notwendigen Kostenanpassungen in den Verlagen sorgen wöchentlich für neue Meldungen über Einstellungen und Verkäufe von Titeln, Reduzierung von Personal und neue Kapitalbeteiligungen, um mit frischem Geld die aufgerissenen Löcher zu stopfen. In manchen Verlagen haben von den Banken bevollmächtigte Wirtschaftsprüfer das Ruder übernommen, entwickeln effektive Zeitungskonzepte und finden neue Chefredakteure.

Zu viele Blütenträume

Die Krise ist aber auch Beginn einer Normalisierung in der Branche, nachdem viele Blütenträume der vergangenen zehn Jahre nicht aufgegangen sind. Die eingestellte Woche steht für den gescheiterten Versuch, mit einem modernen Blattkonzept auf dem festgefügten Markt Zutritt zu gewinnen. Der millionenschwere Zeitungskampf um die Hauptstadt mündete bei Springer in die Zusammenlegung von Berliner Morgenpost und Welt. Gruner + Jahr verkaufte die Berliner Zeitung an den Erzrivalen Holtzbrinck-Verlag, Besitzer des Berliner Tagesspiegels. Die Süddeutsche Zeitung und die Frankfurter Allgemeine Zeitung besinnen sich auf ihr Kerngeschäft. Vorbei die Zeiten, als sich die Elite der überregionalen Tageszeitungen beim Abwerben der edelsten Federn gegenseitig überboten hat.

Aber nicht nur in den Redaktionen wird gekürzt. Der Begriff der „rentablen Auflage“ macht die Runde, was heißt, dass nicht mehr Unmengen von Auflagen kostenlos verramscht werden, um sie dann irgendwie doch trickreich der „verkauften Auflage“ zuzurechen. In der Vergangenheit spielte es keine Rolle, ob die Zeitungen tatsächlich zahlende Leser fanden oder nicht, weil ohnehin der Umsatz durch Anzeigen kam. Jetzt, wo die Buchhalter mit spitzem Bleistift rechnen, werden unrentable Auflagen zurückgefahren, bei der Welt zum Beispiel 25.000 Exemplare (10 % der Auflage) innerhalb eines Jahres, ohne dass man dafür eine zurückgehende Nachfrage verantwortlich machen könnte. Es werden schlichtweg weniger „Sonderverkäufe“ produziert, und der Korrekturbedarf und damit auch das Einsparpotenzial sind längst noch nicht erschöpft.

Strikte Kostendisziplin

Und die taz? Es wäre vermessen und falsch, zu behaupten, die taz sei von alledem nicht oder weniger betroffen. Auch die taz wird in diesem Jahr weitere Rückgänge bei den Anzeigenumsätzen zu verkraften haben, überregional und in den Regionalteilen mehrere hundertausend Euro. Das wird auch in diesem Jahr zu Verlusten führen, die wieder nur mit neuem Kapital aus der taz-Genossenschaft finanziert werden können. Auch in der taz wird schon immer und in diesem Jahr noch mehr auf strikte Kostendisziplin geachtet. Essenszuschüsse zu streichen, ist in einem Betrieb, in dem die MitarbeiterInnen unter Tarif verdienen, keine symbolische Maßnahme.

Trotzdem ist die taz zunächst mal ein Gewinner dieser Krise, weil wieder Normalität, Transparenz und fairer Wettbewerb auf dem Markt hergestellt werden. In der Weltuntergangsstimmung, die die Zeitungsbranche erfasst hat, stehen die taz und ihre Genossenschaft plötzlich als stabile Größe da. Diese Chance muss genutzt werden, denn wenn die Krise vorbei ist, wird der Konzentrationsprozess der Zeitungen fortgeschritten sein und die Bewegungsmöglichkeiten auf dem Markt werden wieder enger.

Ein Vorteil der taz in der aktuellen Krise sind ihre geringe Abhängigkeit von Anzeigen und ihr stabiler Abostamm. Der überwiegende Umsatz (72 %) der taz kommt aus Abonnements, und in diesem Jahr wie schon im Vorjahr gibt es Zuwächse bei der Auflage und den Umsätzen. Diese erfreuliche Entwicklung, entgegen fallenden Auflagen auf dem Tageszeitungsmarkt, bricht mit dem bisherigen taz-Zyklus, bei dem alle vier Jahre mit Hilfe einer Rettungskampagne (zuletzt 2000) die Abos kurzfristig in die Höhe getrieben werden, um sie dann einer allmählichen Erosion zu überlassen. Die Stabilität der Abonnements seit zwei Jahren sehen wir auch als Zeichen der Zufriedenheit der LeserInnen mit ihrer Zeitung. Aus vielen Reaktionen wissen wir, dass das im März 2000 eingeführte redaktionelle Schwerpunktkonzept den LeserInnen gefällt.

Die Bedeutung des taz-Abos haben wir in diesem Herbst ins Zentrum unserer Werbung gestellt: Abo ergo sum. Ein Zeitungsabo gehört in der heute mobilen Zeit längst nicht mehr zur Grundausstattung eines Haushalts. Umso wichtiger ist es, jemanden davon zu überzeugen, dass zuallererst ein regelmäßig bezogenes Abonnement der taz wirtschaftlich nützt. Den zufälligen Leser, den die taz über eine gute Schlagzeile am Kiosk gewinnt, als Probeabonnenten, Abonnenten und schließlich als Miteigentümer für die taz zu gewinnen, ist das nachhaltige Ziel unseres Marketings (siehe unten: Die neue Geno-Kampagne).

Zwei Standbeine der taz

Die Solidarität von 50.000 taz-AbonnentInnen, von denen viele freiwillig einen hohen Abopreis gewählt haben, und das finanzielle Engagement von fast 5.500 GenossInnen sind die Standbeine, die die Unabhängigkeit der taz sichern. Gerade in Krisenzeiten wie diesen zählt ein solches Engagement doppelt. Überall – nicht nur in der taz – ist das Geld knapper geworden. Dass trotzdem im vergangenen halben Jahr so viele ihre Genossenschaftseinlage erhöht haben oder ein Abo – oft zum politischen Preis – bestellten, ist keine Selbstverständlichkeit. Der finanzielle Spielraum, der so entstanden ist, macht es der taz überhaupt erst möglich, auf die neuen Marktbedingungen beweglich und offensiv zu reagieren.

Wir möchten an dieser Stelle deshalb allen danken, die dazu beigetragen haben, die taz in den schweren Zeiten stabil auf Kurs zu halten. Das Ziel ist klar: taz muss sein.