Kein Heizöl mehr in Pjöngjang

Nordkorea drohen Hunger, kalte Wohnungen und Strommangel, nachdem die Führung eingestanden hat, an Atomwaffen zu bauen, und das Land daraufhin keine Unterstützung mehr erhält. Die Linie des „lieben Führers“ Kim Jong-Il gibt Rätsel auf

aus Peking JUTTA LIETSCH

Nachdem die nordkoreanische Führung bereits am Donnerstag die USA des Vertragsbruchs bezichtigt hatten, sorgte Pjöngjang gestern für weitere internationale Verstimmung. Ein internationales Inspektorenteam, das die Verwendung von 50.000 Tonnen Heizöl kontrollieren sollte, darf nicht einreisen.

Washington hätte ein 1994 geschlossenes Abkommen „scheitern lassen“, hieß es zur Begründung. Darin hatte sich das internationale Konsortium Kedo, bestehend aus USA, Japan, Südkorea und der EU, verpflichtet, jährlich insgesamt 500.000 Tonnen Heizöl zu liefern und außerdem zwei Leichtwasserreaktoren zu bauen. Pjöngjang hatte dafür versprochen, sein Atomwaffenprogramm zu stoppen und Inspektoren ins Land zu lassen. Was den Unwillen des „lieben Führers“ jetzt erregte: Kedo will künftig kein Heizöl mehr liefern, als Reaktion auf Nordkoreas Geständnis, heimlich Bomben mit angereichertem Uran zu bauen.

Während Diplomaten rätseln, welche Absichten hinter den neuesten Schachzügen Pjöngjangs stecken, hat das UN-Ernährungsprogramm (WFP) dazu aufgerufen, der gequälten Bevölkerung Nordkoreas trotzdem weiter zu helfen. Seit September habe man das Programm für Nordkorea um die Hälfte verringern müssen, weil die erwarteten Spenden ausgeblieben seien. Vor zwei Jahren habe das WFP mit 200.000 Tonnen Lebensmitteln noch 6 Millionen Menschen, ein Drittel der Bevölkerung, versorgen können. In diesem Jahr seien es nur 110.000 Tonnen. Am meisten bedroht seien Arbeiter in den bankrotten Industrieregionen sowie Alte und Kinder. Caritas International warnte davor, Nordkorea werde „auf den Stand der Hungerjahre 1995 bis 1997 zurückgeworfen“, wenn sich die Situation weiter verschlechtere.

Für 2003 haben bislang nur die EU und Italien Getreidelieferungen zugesagt. Die drei größten Geber USA, Japan und Südkorea machen derzeit keine offiziellen Zugeständnisse. Japan hatte in den letzten Jahren mit 45 Prozent den Löwenanteil der UNO-Hilfe für Nordkorea finanziert. Der Skandal um die von Nordkorea entführten Japaner und die angekündigte Wiederaufnahme der 1999 suspendierten Raketentests sorgten für ein frostiges Klima zwischen Pjöngjang und Tokio.

Auch in Südkorea ist die Stimmung gegenüber der „Sonnenscheinpolitik“ des scheidenden Präsidenten Kim Dae-Jung inzwischen umgeschlagen. Viele Südkoreaner, die in den letzten Jahren hunderte Millionen Dollar in den Norden schickten, fühlen sich zutiefst betrogen. Im Dezember wird in Seoul ein neuer Präsident gewählt. Chancen hat derzeit nur, wer hart gegenüber dem Norden auftritt.

Wie die Nordkoreaner, deren Energiesektor schon jetzt völlig am Boden liegt, nun durch den Winter kommen wollen, ist völlig unklar. Ob die ausbleibende Hilfe und die dramatische Wirtschaftslage Pjöngjang dazu bewegen kann, die Drohgebärden einzustellen und sich stärker gegenüber dem Ausland zu öffnen, ist offen. Bisher sind die Signale von dort widersprüchlich. Einerseits beharrt das Regime auf „das Recht auf eigene Atomwaffen“. Es appellierte aber zugleich an Washington, über einen „Nichtangriffspakt“ zu verhandeln.

Zudem versuchen nordkoreanische Funktionäre gut Wetter zu machen. Kim Jong-Il persönlich wird noch in diesem Jahr in China erwartet. Die Pekinger Politiker werden ihn, so heißt es, nachdrücklich auffordern, sein Atomwaffenprogramm zu stoppen und die zaghaft begonnenen Wirtschaftsreformen schneller voranzutreiben. Peking fürchtet, dass sich bei der nächsten Hungersnot hunderttausende von Nordkoreanern in Richtung China in Bewegung setzen könnten.