Börsenschuft geht in den Knast

Weil Bodo Schnabel die Umsätze seiner Firma Comroad erfand, muss er jetzt sieben Jahre hinter Gitter: Zum ersten Mal wurde ein Manager des Neuen Markts verurteilt. Die Aktionäre hoffen auf Schadenersatz. Doch das ist voraussichtlich vergebens

aus München OLIVER HINZ

Die Aktionärsschützer jubeln: Das Landgericht München hat erstmals einen Exmanager des Neuen Markts ins Gefängnis geschickt. Die betrogenen Anleger hoffen auf Schadenersatz. Doch Staatsanwalt Peter Noll, der den einst gefeierten Comroad-Gründer Bodo Schnabel für sieben Jahre hinter Gitter brachte, dämpft die Euphorie.

Im bislang größten Betrugsskandal eines börsennotierten Unternehmens in Deutschland verurteilten die Richter am Donnerstagabend Schnabel wegen Fälschung fast des gesamten Umsatzes und Insiderhandels. Der ehemalige Chef des Herstellers von Fahrzeugnavigationssystemen hatte zunächst an seiner erlogenen Erfolgsstory festgehalten. Erst am dritten Verhandlungstag gestand er: „Ich konnte mich dem Sog des Neuen Marktes nicht entziehen.“

Börsenexperten schätzen den Schaden im Fall Comroad auf bis zu 700 Millionen Euro. Durch 17 Pflichtmitteilungen über frei erfundene Umsatzsteigerungen schnellte der Aktienkurs jeweils um bis zu 30 Prozent in die Höhe, von einst 10 auf über 60 Euro. Heute ist die Aktie keine 20 Cent mehr wert und vom Neuen Markt verbannt. Rund 1.000 Anleger klagen nun auf Schadenersatz – Erfolg fraglich. „Ich bin skeptisch, dass Schadenersatz durchsetzbar ist“, sagte Staatsanwalt Noll gestern der taz. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe habe vor wenigen Wochen entschieden, dass das Gesetz Anleger nicht gegen Kursbetrug schütze. Weil Comroad aber ein Extremfall sei, seien die Aktionäre in einem Zivilprozess vielleicht nicht chancenlos. Das Unternehmen habe jedenfalls genügend Geld, um erhebliche Regressforderungen zu erfüllen.

Der Münchner Anwalt Klaus Rotter, der nach eigenen Angaben 450 Comroad-Geschädigte vertritt, bestätigte, dass Karlsruhe „sehr starke Zweifel“ habe, ob Anleger gegen Kursbetrug geschützt seien. Seine Klagen stützten sich aber vor allem auf „sittenwidrige Schädigung“. Obendrein helfe das Geständnis von Schnabel, meint Rotter.

Nutznießer des abrupten Endes des Strafprozesses nach Schnabels Kehrtwende ist auch dessen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG. Der wurde ein peinlicher Auftritt vor Gericht erspart. Die Kontrolleure hätten erklären müssen, warum sie Jahresabschlüsse absegnet hatten, in dem zuletzt 2001 nur 1,4 Prozent des angeblichen Umsatzes nachweisbar waren. KPMG wollte das Urteil gestern ebenso wie Comroad nicht kommentieren.

Deutliche Worte richtete dagegen Richter Wolf-Stefan Wiegand an Schnabel: „Sie haben das Vertrauen in die Ehrlichkeit der Börse mit erschüttert.“ Nach dem bereits von allen Seiten angenommenen Urteil müssen Schnabel und seine zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe wegen Beihilfe verurteilte Frau Ingrid 20 Millionen Euro an die Staatskasse zahlen.