ARGENTINIENS HAUSHALTE ZAHLEN DEN WIEDERAUFBAU DER WIRTSCHAFT
: Ein bitterer Beigeschmack

Roberto Lavagna ist Pragmatiker. Ohne viel Schaumschlägerei versucht der argentinische Wirtschaftsminister, sein bankrottes Land wieder auf Kurs zu bringen. Dabei muss er zwischen seinem Anspruch, Stabilität zurückzubringen, und den Forderungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) jonglieren. Zuweilen scheint beides unvereinbar. Immerhin: Zumindest die wirtschaftliche Lage hat sich mittlerweile beruhigt. Nun muss Lavagna noch die Gemüter beim IWF beruhigen.

Schon lange fordert der IWF, die Bankkonten freizugeben, die Versorgungstarife zu erhöhen und zu überlegen, wie Argentinien gedenkt, seine Schulden zu bezahlen. Jetzt hat Lavagna diesen Forderungen Folge geleistet – und doch bleibt ein bitterer Beigeschmack. Denn mit der Freigabe der Konten tut sich der Minister einen doppelten Gefallen. Zum einen schafft er Kaufkraft und Nachfrage. Zum anderen erkauft er sich die Sympathie einiger Argentinier, indem er ihnen zurückgibt, was ihnen ohnehin gehört: ihr Geld – wenn auch in deutlich geringerer Menge als der, die sie einst auf ihren Konten deponiert hatten. Denn als die Guthaben vor einem Jahr auf Eis gelegt wurden, waren es Dollarvermögen. Heute sind es Pesos. Seitdem jedoch ist viel passiert in Argentinien: Der Schuldendienst wurde eingestellt, der Peso abgewertet, die Wirtschaft brach zusammen. Lavagna darf sich nun rühmen, den Wiederaufbau begonnen zu haben. Er muss aber auch verantworten, dass die argentinischen Haushalte künftig höhere Gebühren an die privaten Versorgungsmonopolisten – Wasser, Gas, Strom – bezahlen müssen.

Damit ist die Regierung gegenüber den Konzernen in die Knie gegangen, die in den Neunzigerjahren diese Betriebe gekauft und während des Privatisierungsgoldrauschs Fantasiepreise verlangt hatten. Seit der Pesoabwertung sind die Gewinne dieser Firmen eingebrochen. Die Reallöhne der Argentinier auch. Die Konzerne werden nun vom Staat mit höheren Tarifen bedacht. An den Löhnen jedoch rüttelt der Staat nicht – trotz einer Teuerungsrate von etwa 35 Prozent in den vergangenen elf Monaten. INGO MALCHER