Der Krieg um die Plakate

Pünktlich zum Welt-Aids-Tag am 1. Dezember bekriegen sich wieder die Party-Veranstalter und machen sich die zahlenden lesbisch-schwulen Gäste streitig. Die Leidtragenden sind die Beratungsstellen: Sie finanzieren sich mehr und mehr aus Spenden

The same procedure as last year: Der Krieg der Plakate tobt in der lesbisch-schwulen Szene. Das geübte Auge kann derzeit im Ostertorviertel verfolgen, wie täglich, stellenweise sogar stündlich Plakate angekleistert werden, nur um bald darauf wieder verschwunden zu sein – herunter gerissen oder überplakatiert.

Mit der Annahme, dass sich hier zum soundsovielten Mal die beiden Party-Veranstalter der lesbisch-schwulen Szene „InterNett“ von Arnold Arkenau und „Don’t cry Mama!“ (dcm) von Susanne „Rocky“ Rogg bekriegen, liegt man aber nur halbrichtig: Das Auftreten der neu auf den Markt gekommenen Veranstalterin „Ira“, die sich mit der „Homos on board“-Party seit September einen Namen in der Szene macht, scheint für einen Teil des Wirbels zu sorgen.

Fest steht: Mit dem Welt-AIDS-Tag am 1. Dezember steht ein wichtiger Tanz- und Spenden-Sammel-Termin im SzenegängerInnen-Kalender. Zu diesem Datum haben Rogg und Arkenau jeweils Parties auf die Beine gestellt, die ordentlich beworben werden wollen: Die „dcm“-Party im Schlachthof soll möglichst hohe Erlöse für die Aids-Beratung im schwul-lesbischen Rat und Tat-Zentrum erbringen, Arkenaus Party im Moments läuft zugunsten der Aids-Hilfe Bremen.

Fest steht auch: Beide Aids-Beratungsstellen wollen und müssen auf diese Weise möglichst große Spendensummen in ihre leeren Kassen spülen. Denn die Beratungsarbeit lässt sich immer schwieriger finanzieren, Spenden werden immer wichtiger. Das sagt auch Reiner Neumann vom Rat und Tat-Vorstand: „Der Senatszuschuss zu den BeraterInnen-Gehältern im Zentrum ist seit drei Jahren eingefroren, aber die tarifgebundenen Gehälter unserer MitarbeiterInnen steigen.“ Die Konsequenz: „Der Anteil der notwendigen Spenden um die größer werdenden Lücken zu schließen steigt und steigt.“ Bei der Aids-Hilfe Bremen dürften die Probleme ähnlich gelagert sein, so dass der Konkurrenzdruck erheblich ist.

Im Rat und Tat-Zentrum muss man mittlerweile jeden Cent mehrfach umdrehen. Wenn die Finanznöte sich weiter verschlimmern, könnte es sein, dass das Beratungsangebot eingeschränkt werden müsse, deutet Neumann an. Entsprechend hart trifft beide Beratungsstellen der neue Kleinkrieg.

Der findet aber weniger zwischen den alteingesessenen Agenturen „dcm“ und „Internett“ statt. Denn die hatten immerhin überlegt, ob es gelingt, miteinader zu kooperieren und nur eine gemeinsame Riesenparty auf die Beine zu stellen. Das scheiterte daran, dass die beiden OrganisatorInnen Arkenau und Rogg schon zu lange miteinander im Clinch liegen. Sie werfen sich jetzt gegenseitig vor, Absprachen nicht eingehalten zu haben.

Die aktuellen kostspieligen Überplakatieraktionen haben einen anderen Ursprung: Seit dem Spätsommer ist eine neue Veranstalterin auf dem Bremer Party-Markt aufgetaucht: „Ira“, die die „Homos on Board“-Partys in der Shark Lounge organisiert, ist mit zwei- bis vierwöchentlichen Parties und massiver Werbung präsent. Sie und „dcm“ scheinen die jeweils andere Werbung zu überkleistern.

Susanne Rogg sagt, sie überklebe grundsätzlich keine anderen lesbisch-schwulen Plakate, schränkt allerdings auch ein: „Ich gebe zu, dass ich inzwischen auch mal Plakate von Ira überklebt habe – nachdem die aggressiv alle meine Plakate überklebt hat.“ „Ira“ sieht das naturgemäß anders und hat mittlerweile einen Anwalt eingeschaltet. Schräg: Jetzt müssen JuristInnen den Streit um (un-)faires Wildplakatieren klären.

Arkenau scheint diesmal der lachende Dritte zu sein. Wie lange er sich heraushalten kann, bleibt abzuwarten, zumal auch „InterNett“-Plakate in Mitleidenschaft gezogen worden seien.

Ulrike Bendrat