Komische Koalition

Eigentlich müsste der Springer Verlag froh sein, dass das Kartellamt die Übernahme des Berliner Verlags durch Holtzbrinck so kritisch sieht. Doch er kämpft weiter mit gegen das Pressefusionsrecht

von HEIKO DILK

Es droht Gefahr für die Berliner Morgenpost. Wenn dem Holtzbrinck-Verlag doch noch die Übernahme des Berliner Verlags gelingt, ohne dass er den Tagesspiegel verkaufen muss, hätte Springer im Berliner Lesermarkt der Abo-Zeitungen nämlich einen übermächtigen Konkurrenten. Auf über 60 Prozent Marktanteil kämen Tagesspiegel und Berliner Zeitung dann gemeinsam. Und Springers Spitzenposition auf dem Anzeigenmarkt mit einem Anteil von 55 Prozent wäre zumindest langfristig auch gefährdet. Man sollte meinen, Springer freue sich da über das vorläufige Veto des Kartellamts in dieser Sache.

Doch im Gegenteil: Das „Gewürge um eine Lösung auf dem komplizierten Berliner Zeitungsmarkt“ mache deutlich, dass „das Kartellrecht in dieser Frage durchaus reformbedürftig ist“. So stand es am Freitag in Springers inoffiziellem Verlautbarungsorgan Welt. Holtzbrinck wird als „Speerspitze“ einer Bewegung bezeichnet, die eben diese Reform fordert. Und als vorgestern in der Welt am Sonntag noch einmal das Gerücht ventiliert wurde, dass Holtzbrinck mit dem Gedanken spiele, die Mehrheit am Tagesspiegel abzugeben (Chefredakteur Giovanni die Lorenzo solle dann Zeit-Chef werden), um die Berliner Zeitung zu erwerben, ging dies nicht ohne den Nebensatz ab, das könne auch „interimsweise geschehen, bis sich zum Beispiel die Kartellrechtslage“ ändert. Hierzu muss man wissen, dass es Springer-Vorstand Mathias Döpfner war, der vor einigen Monaten beim Kanzler vorstellig wurde, um ihm eine Lockerung des Pressefusionsrechts nahe zu legen.

Worauf offenbar auch Holtzbrinck hofft. Die „Speerspitze“ widmete dem eigenen Fall am Samstag unter dem Titel „Holtzbrinck und der Berliner Verlag – Ein Fall für das Kartellamt“ die Medienseite des Tagesspiegel. Michael Grabner, stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsführung, trat dort den Spekulationen um einen Verkauf des Tagesspiegel entgegen und beschwerte sich, dass „uns unser Bemühen, beide Zeitungstitel zu erhalten und journalistisch unabhängig voneinander zu führen, zum kartellrechtlichen Fallstrick wurde“. Es stellt sich allerdings die Frage, wie Ernst es ihm mit dieser Ansage ist (siehe unten). Welche „wichtigen Argumente wenig gewürdigt wurden“ (Grabner), kann man auch im Einzelnen nachlesen.

Die Bewegung „Pro Fusion“ hat also eher eine Doppelspitze. Und die Holtzbrinck’sche-Springer’sche Eintracht erklärt sich wohl aus der gemeinsamen Enttäuschung über die Hartleibigkeit der bösen Buben vom Kartellamt.

Dabei ist der Fall Holtzbrinck/Berliner Verlag alles andere als Beweis für die Restriktivität des Pressefusionsrechts.

Weshalb Holtzbrincks Kartellanwalt einer entsprechenden Frage im Tagesspiegel-Interview wohl auch ausweicht. Sonst hätte er ja sagen müssen: „Die speziellen Regeln des Pressefusionsrechts spielten für die Entscheidung überhaupt kein Rolle.“ Denn der weltweite Gesamtumsatz der beteiligten Unternehmen liegt bei über 500 Millionen Euro. Die Regeln zum Zusammenschluss von Presseunternehmen besagen lediglich, dass das Kartellamt schon dann prüfen muss, wenn nur eines der Unternehmen 25 Millionen Euro in Deutschland umsetzt. Damit ist der Fall „Holtzbrinck und der Berliner Verlag“ auf jeden Fall „ein Fall für das Kartellamt“.