Theorie und Praxis im Tanz

Erprobung neuer Präsentationsformen und künstlerische Recherchen: Morgen beginnt in Stellingen das viertägige Tanzfestival der freien Hamburger Szene „Auftauchen“

von MARGA WOLFF

Ein neues Tanzfestival in Hamburg? Nicht ganz. Der Name und vor allem die Gesichter der teilnehmenden Tänzer und Choreographen sind zwar neu. Doch „Auftauchen“, wie sich das Festival der freien Tanzszene Hamburgs jetzt nennt, hatte bereits im November letzten Jahres im selben Format als „MiniFestivaldasFenster“ zum ersten Mal stattgefunden. Veranstaltungsort sind auch diesmal wieder die K-Studios in Stellingen.

Der Titel ist Programm. Denn immer wieder staunt man, was da in der Stadt unter der Oberfläche an tänzerischem Potential so schlummert. Hier geht es nicht allein um Aufführungen verschiedener Tanzstücke, sondern auch um die Erprobung neuer Präsentationsformen im Tanz. In einer Zeit, da Hamburgs Politik zunehmend auf Events und Publikumszahlen setzt, kommt der künstlerischen Recherche besondere Bedeutung zu. Die Improvisation wird im Bühnentanz seit längerem praktiziert. Heute geht es darum, Strukturen und Arbeitsweisen transparent zu machen und Darstellungsformen in der Verbindung von Theorie und Praxis zu reflektieren und zu entwickeln.

Friederike Lampert hat die Form der Lecture Performance für sich entdeckt. In Asian Detective verbindet sie einen Vortrag über Improvisation mit improvisiertem Tanz und fordert den Zuschauer auf, sich auf Spurensuche zu begeben. Der Titel benennt zum einen das verwendete Musikstück, steht für Lampert aber auch im Sinnzusammenhang mit einer Art von Improvisationspraktik und Ästhetik innerhalb der japanischen Teezeremonie. Die Verbindung von Theorie und Praxis ergibt sich für die 34-Jährige in erster Linie aus der eigenen Biographie. Auf eine Ballettausbildung in Frankfurt folgte ein Studium der Theaterwissenschaften in Gießen. Anschließend tanzte sie zwei Jahre in der Compagnie von Amanda Miller und arbeitet heute an ihrer Promotion zum Thema „Improvisation im Bühnentanz“.

Die Tanzinitiative Hamburg setzt sich seit ihrer Gründung 1993 mit der Intergration von Theorie und Praxis im Tanz auseinander. Bei „Auftauchen“ ist sie nun mit Plein de coeur, einer unterhaltsamen Szenenfolge choreographierter und improvisierter Episoden zu Gast. Langjährige Erfahrungen in Tanz- und Kontaktimprovisation und in Action Theater verbindet die Performancegruppe unter der Leitung der Choreographin und Bewegungsforscherin Annett Walter.

Für die Performerin und Choreografin Katharina Oberlik geht es in einer multimedialen Studie Die Tanzstunde um Schweiß und Tränen auf dem Weg ins Rampenlicht. Gefilmte Momentaufnahmen aus einer Tanzklasse kommentiert die Tänzerin Oberlik auf der Bühne, artikuliert dabei ihre Sehnsucht nach perfektem Tanz. Tünde Pasdachs Tanzsolo ex ovo beschreibt Grundkonflikte des Daseins, von der Geburt bis zum Tod. Katja Bergmann und Beate Simon widmen sich in Fadensonnen mit Tanz, Objekt- und Schattentheater den Gedichten von Paul Celan.

„Auftauchen“ wird organisiert von Nele Lipp, Leiterin von Hamburgs interdisziplinärer Kunstschule Koinzi-Dance, die ein Gastspiel aus Berlin in die K-Studios eingeladen hat: rissumriss von Christina Ciupke und Gisela Dilchert, eine Synthese aus Tanz und Fotografie, eine Studie des Sehens in faszinierenden und irritierenden Verschiebungen an den Rändern der Wahrnehmung.

Programm 1 (Katja Bergmann: Fadensonnen, Annett Walter: plein de coeur), morgen, 18.30 Uhr + 30.11., 21 UhrProgramm 2 (Friederike Lampert: The Asian Detective, Katharina Oberlik: Die Tanzstunde, Tünde Pasdach: ex ovo): morgen, 21 Uhr + 29.11., 18.30 UhrProgramm 3 (Christina Ciupke: rissumriss): 29.11., 21 Uhr + 30.11., 18.30 UhrOrt: K-Studio 3, Farnhornstieg 10, HH-Stellingen; Kartentel. 041 84/74 84; info@koinzi.de