vorlauf
: Das Leben ist echter

„Ghettokids“

(ARD, 20.15 Uhr)

Maikis kümmert sich um seinen kleinen Bruder Christos. Zum Beispiel, indem er einen kleinen Jungen „abzieht“, ihm Stiefel und Jacke klaut und an Christos weiterreicht. Denn es ist Winter, es ist kalt, und Maikis’ Familie fehlt nun mal das Geld.

Höchstwahrscheinlich hat Toni Osmani, der den Maikis in dem Film „Ghettokids“ spielt, das Gleiche schon häufiger im richtigen Leben gemacht. Denn Osmani ist eigentlich kein Schauspieler, sondern genau wie die anderen Jugendlichen im Film das, was er darstellt: ein Jugendlicher ausländischer Herkunft, der im Münchner Problemviertel Hasenbergl lebt, zur Schule geht und einen Großteil seiner Freizeit beim Selbsthilfeprojekt „Ghettokids“ verbringt.

Ins Leben gerufen wurde die Initiative von der Lehrerin Susanne Korbmacher-Schulz und dem Sozialpädagogen Achim Seipt. Auf ihren Erfahrungen beruht der Film von Christian Wagner.

Hanna Solinger (Barbara Rudnik) soll in Hasenbergl eine Förderklasse übernehmen. Am Bahnhof begegnet sie Christos, der sie bestiehlt und den sie am nächsten Tag in ihrer Klasse wiedertrifft. Schon nach dem ersten Tag will sie aufgeben, aber Christos überredet sie später doch, weiterzumachen, weil er einen Deal mit dem Direktor hat, dass Bruder Maikis, der von der Schule verwiesen wurde, erst wiederkommen darf, wenn Solinger wieder unterrichtet. Solinger fasst Vertrauen zu Christos und Maikis, engagiert sich gemeinsam mit dem Sozialarbeiter Xaver (Günther Maria Halmer) für die Jungs, die natürlich dauerhaft in Schwierigkeiten sind.

So weit, so berechenbar – was man dem Film freilich nur schwer ankreiden kann, denn er beruht nun mal auf der Wirklichkeit. Und auch die Ghettokids selbst tragen ihren Teil dazu bei, dass „Ghettokids“ nicht zum üblichen Sozialkitsch verkommt. Sie bewegen sich selbstverständlich in ihrem Milieu zwischen schäbiger Einzimmerwohnung, Drogen, Schlägereien, Überfällen und Babystrich. So gelingt ein authentischer Blick auf die soziale Wirklichkeit der Jugendlichen. Dass der Film dennoch etwas flach und blutleer bleibt, liegt wohl auch daran, dass die Realität einfach beängstigender ist. HEIKO DILK